2024
Wir, das Netzwerk Sport & Inklusion Berlin, möchten unsere tiefe Besorgnis und Ablehnung der im August 2023 von Björn Höcke, Fraktionsvorsitzender der Thüringer AfD, geäußerten Ansichten zum Ausdruck bringen. In einem Interview behauptete Herr Höcke, dass Projekte wie Inklusion und Gender-Mainstreaming unsere Kinder nicht weiterbringen und bezeichnete Inklusion als "Ideologieprojekt", das aus dem Bildungssystem entfernt werden sollte.
Solche Äußerungen sind nicht nur irreführend, sondern auch gefährlich, da sie die Bedeutung und den wissenschaftlich nachgewiesenen Wert der Inklusion im Bildungssystem, im Sport und in der Gesellschaft insgesamt infrage stellen. Sie lassen den Schluss zu, dass die AfD Menschen mit Behinderung als Menschen zweiter Klasse betrachtet.
Inklusion ist kein "Ideologieprojekt", sondern ein grundlegendes Menschenrecht. Als Netzwerk Sport & Inklusion Berlin setzen wir uns leidenschaftlich dafür ein, dass alle Menschen selbstbestimmt und gleichberechtigt Sport treiben können. Sport verbindet Menschen, baut Barrieren ab und hat das Potenzial, Gemeinschaften zu stärken und zu vereinen.
Wir fordern alle politischen Akteure und die Öffentlichkeit auf, die Bedeutung der Inklusion im und durch Sport zu erkennen, Barrierefreiheit herzustellen und sich gegen die irreführenden und schädlichen Ansichten von Herrn Höcke und der AfD zu stellen. Es ist unsere kollektive Verantwortung, eine inklusive und gerechte Gesellschaft zu fördern, in der jeder Mensch respektiert und wertgeschätzt wird.
Inklusion ist nicht verhandelbar.
Netzwerk Sport & Inklusion Berlin.
LOGO Netzwerk Sport & Inklusion Berlin
2023
Wir freuen uns mit dem Stadtteilzentrum Weißensee des Frei Zeit Haus e.V. über den erfolgreichen Abschluss des „RealitätsChecks Inklusion“.
Im Rahmen des regelmäßigen Kiez-Café fand am 19.09.2023 die feierliche Zertifikats-Übergabe statt. Dazu wurden NachbarInnen, UnterstützerInnen und politische VertreterInnen eingeladen.
Die feierliche Überreichung des Zertifikats vom VskA Berlin und der GETEQ wurde mit einem persönlichen Beitrag von Jörg von de Fenn (als Experte in eigener Sache) unterstützt. Anschließend ist die Ausstellung des Künstlers Piotr Copik eröffnet worden. Musikalisch begleitet wurde die Veranstaltung und das Beisammensein von dem Musiker Achim Seuberling.
Im Rahmen des „RealitätsChecks Inklusion“ fanden verschiedene Workshops, umfangreiche Begehungen des Hauses und Befragungen der BesucherInnen und MitarbeiterInnen statt.
Die Auswertung der Ergebnisse ermöglicht nun, die inklusive Öffnung weiter umzusetzen.
Gerne möchten wir uns bei allen Beteiligten und PartnerInnen bedanken, die sich sich an der Umsetzung des „RealitätsChecks Inklusion“ beteiligt haben.
Wir wünschen dem Stadtteilzentrum Weißensee viel Erfolg und die Unterstützung, die es auf dem Weg braucht, um künftig nutzbar(er), zugänglich(er) und offen(er) für alle im Stadtteil lebenden BürgerInnen zu werden.
Fotos:
Jörg bei der Verleihungsveranstaltung des Zertifikats vom VskA Berlin und der GETEQ im Stadtteilzentrum Weissensee.
© Johannes Kuhn / FREIZEIT Gestaltung
WEB: stadtteilzentren-inklusiv.de | 19.09.2023
Jörg von de Fenn bestieg den Kilimandscharo, wurde siebenmal Deutsche Meister im Inlineskaten und betreibt chinesischen Ringkampfsport. Das alles, obwohl er blind ist.
Der Schweißgeruch des Gegners steigt in Jörg von de Fenns Nase. Er spürt die Hitze des Körpers, der sich vor ihm wie ein Bulldozer aufbaut und ihn herabdrückt. Alles ist dunkel. Von de Fenn schiebt seine Hand in den Ärmel seines Gegners, mit der anderen packt er ihn am Kragen. Die Baumwolle reibt an seinen Fingerkuppen, über die er die Welt wahrnimmt.
Von de Fenn ist blind und wahrscheinlich der einzige Mensch in Deutschland, der trotzdem den chinesischen Ringkampf Shuai Jiao betreibt. Schweißtröpfchen stehen ihm auf dem rasierten Schädel, seine klaren, blauen Augen schauen auf den Boden ohne Ziel. Es ist Dienstagabend Anfang August und von de Fenn trainiert mit dreizehn Kämpfern in einer holzvertäfelten Turnhalle im Prenzlauer Berg. Im Dickicht der Hebelgriffe spürt er, aus welcher Richtung der nächste Angriff kommt.
Fragt man ihn, warum er das macht, sagt er: „Nicht der Kampf motiviert mich, sondern das tägliche Weitermachen.“ Doch etwas Kämpferisches versprüht die Geschichte, die sich hier auf den Matten abspielt.
Von de Fenn, ein schlaksiger Mann Anfang 50, erblindete vor 32 Jahren an der seltenen Erberkrankung Leber’sche Hereditäre Optikus-Neuropathie (LHON). Seitdem ist er zu einer Art Botschafter geworden, der sich für die Inklusion von blinden und sehbehinderten Menschen einsetzt. Mit den Sportaktionen zeigt er: Ich kann das auch. Er bestieg den Kilimandscharo, holte sieben Meistertitel im Inlineskating und sprang, gesichert an einem Seil, von einer 125 Meter hohen Plattform am Alexanderplatz.
Fotos und Artikel über seine Sporterfolge postet er auf Instagram und auf seiner Website, die über eine Million Mal besucht wurde. „Ich mache das nicht nur für mich, sondern dafür, dass alle das machen können“, sagt er. In Deutschland leben rund 1,2 Millionen blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen. Sie werden oft übersehen.
Im vergangenen Jahr bot von de Fenn bei den Berliner Freiwilligentagen Interessierten an, mit ihm durch eine Schlaufe verbunden am Weißensee zu joggen. „Die Leute sollen merken, dass man mit Blinden ganz normal umgehen soll“, sagt er. Er will den Menschen die Berührungsangst nehmen. Auch in diesem Jahr ist er dabei, mit dem gleichen Angebot. „Ich bin kein Aktivist“, sagt er, „es geht nur darum, dass sich etwas ändert.“
In der Turnhalle atmet von de Fenn schwer, die Kämpfer haben sich warm gerungen. Sie tragen weiße Ringerwesten. In ihrer Mitte steht Mario Pestel, er ist Meister der Kampfkunst, ein Typ mit breiter Brust und Zopf. „Zuerst macht ihr den T-Schritt“, sagt er und stellt seine linke Ferse an die Seite seines rechten Fußes. „Ihr macht einen Schritt am Gegner vorbei und zieht ihn über euer Bein auf die Matte. Alles klar?“ Dann geht er zu von de Fenn und spielt die einzelnen Schritte mit ihm durch.
Lange bevor von de Fenn „Allround-Sportler“ wurde, wie er sich selbst bezeichnet, spielte Sport eine wichtige Rolle in seinem Leben. In den 70ern wuchs er in Krefeld auf. Sein Onkel war Eishockey-Schiedsrichter und nahm von de Fenn und dessen jüngeren Bruder mit zu den Spielen der KEV, der späteren Krefeld Pinguine. „Ich wäre damals selbst gerne Profi geworden“, sagt er. Im Winter schoss er den Puck über die spiegelglatte Fläche der Eisenhallen.
Zermürbende Reise von einem Augenspezialisten zum nächsten.
1989 zog er für eine Kochausbildung nach Frankfurt am Main. In nur wenigen Tagen veränderte sich sein Leben. Er arbeitete in der Küche eines gehobenen Restaurants, er mochte den Chefkoch, der ihm nach Feierabend zeigte, wie man Seezunge Colbert zubereitet. An einem Julimorgen 1991 konnte er kaum die Konturen der Pfannen und Töpfe ausmachen, so als sei eine dicke Flüssigkeit in seine Augen geflossen. Der Chef schickte ihn zu einer Augenärztin. Sie konnte ihm nicht helfen. „Kommen sie in ein paar Tagen wieder“, sagte sie. Beim zweiten Besuch war von de Fenn erblindet – niemand kannte den Grund.
Für ihn begann eine zermürbende Reise von einem Augenspezialisten zum nächsten. „Das war eine Katastrophe“, sagt er. Er sei in ein dunkles Loch gestürzt, aus dem er erst herausfand, als fünf Jahre später eine Ärztin in Tübingen diagnostizierte, dass sein Sehnerv aufgrund einer Erberkrankung abgestorben war. 0,3 Prozent waren übrig geblieben von seiner Sehkraft.
In der Turnhalle weist der Meister die Kämpfer an, in einer Reihe neben den Matten zu sitzen. Jeder kommt für drei Kampfrunden dran. Pestel wählt für von de Fenn Juri als Gegner aus, einen Ringer, um dessen Hüfte ein schwarzer Gürtel geknotet ist. Auf Pestels Zeichen verbeugen sie sich voreinander, dann greifen und zerren sie an ihren Westen. Geschickt klappt von de Fenn seinen Fuß hinter Juris Bein und wuchtet ihn über dessen Schwerpunkt hinaus, mit einem Knall auf die Matte. „Ting“, ruft der Meister. „Ende, sehr schön.“
Als von de Fenn Gewissheit über seine Krankheit hatte, lernte er Brailleschrift. Sein Leben wurde einfacher. Er zog nach Memmingen, fand einen Job als Telefonist und reiste nach Österreich, um seine erste Wanderung zu unternehmen. „Die Österreicher sind da schmerzfrei, die trauen mir das zu“, sagt er.
Er lernte den Bergführer Toni kennen, der schon sämtliche Leute auf die Gipfel gebracht hatte, aber noch nie einen blinden Menschen. „Hast du Lust?“, hatte er von de Fenn gefragt. Noch im selben Jahr begannen die Vorbereitungen. Von de Fenn war angefixt, von der Höhenluft, den brennenden Schenkeln, vom Nervenkitzel.
1999 bestieg er den Großglockner, 2009 den Kilimandscharo und den Elbrus, mit 5642 Metern Europas höchsten Berg, 2012 den Ararat in der Türkei.Einen Ausgleich zu den mühsamen Höhenmetern fand er im Inlineskaten. In der Disziplin Speedskating errang er 2007 und 2008 sieben Deutsche Meistertitel bei den Blinden und Sehbehinderten in der Altersklasse 30, auf Distanzen zwischen 300 Metern und 42,195 Kilometern. Sport ist für von de Fenn Teilhabe am sozialen Leben, die blinden Menschen zu oft verwehrt werde, sagt er.
Jede Tour ist für von de Fenn verbunden mit einem großen Aufwand. „Das meiste kann ich allein machen, aber ich brauche jemand, der mich begleitet“, sagt er – Menschen, die ihn an 600 Meter hohen Abgründen sichern, ihn beim Skaten vor Schlaglöchern warnen oder beim Joggen die Kurven ansagen.
Vor zwölf Jahren zog er aus dem bayerischen Memmingen nach Berlin, in der Hoffnung, hier einfacher eine Begleitung für seine Touren zu finden. „Aber es ist immer noch schwer“, sagt er. Er schaltete Inserate in Lokalzeitungen, fragte in Internetforen nach und schrieb Vereine an.
Oft machte er die Erfahrung, dass die Menschen nicht wussten, wie sie mit ihm als blindem Menschen umgehen sollten – oder erwarteten eine Bezahlung, wenn sie ihn begleiteten. Es waren hohe Hürden für ihn, bis er bei Mario Pestel mit dem Kampfsport anfing, bis er ein geeignetes Fitnessstudio fand und bis er Henrike und Anja kennenlernte, die mit ihm spazieren, joggen und einkaufen gehen.
Gruppenbesteigung in Österreich geplant
Andere sollten es leichter haben. Vor rund drei Jahren begann er deshalb, sich bei der Freiwilligenagentur Pankow zu engagieren. „Wir machen uns auf die Suche für Blinde und Sehbehinderte, die eine Begleitung für ihre Aktivitäten brauchen“, sagt er. Es ist sein Versuch, sie ins soziale Leben zu integrieren. Im Verein Pro Retina Deutschland ist er im Arbeitskreis Sport der Bereichsleiter für Berlin und Brandenburg. Gemeinsam mit seinen Kolleg:innen plant er für kommendes Jahr eine Gruppenbesteigung mit anderen blinden und sehbehinderten Menschen auf den Großvenediger in Österreich.
Von de Fenn liebt die Musik von Depeche Mode. Seit den 80ern hat er keine Tour verpasst, wenn die Band aus Großbritannien nach Deutschland kam. Ganz hinten im Kopf, „im Hinterstübchen“, sagt er, habe er eine Kammer, in der sich noch ein paar scharfe Bilder finden: das blaue Bühnenlicht, als der Sänger David Gahan in der Frankfurter Festhalle das Lied Stripped sang. Von de Fenn war damals 18 Jahre alt, stand in der berauschten Menge und wiegte sich zur Musik. „Ein paar solcher Bilder habe ich noch“, sagt er.
Im jetzigen Alltag bleiben ihm allerdings auch die schlechten Erfahrungen nicht erspart: wenn er sich schämt, einen Blindenstock in der Hand zu halten; wenn man ihn im Geschäft übergeht und mit seiner Begleitung spricht; wenn man ihm auf dem Blindenstreifen keinen Platz macht; wenn ein Speedskating-Verein ihn nicht auf der Rennbahn trainieren lässt; oder „wenn man mich behandelt wie einen Pflegefall“, wie er sagt.
Allmählich ändert sich aber etwas im Umgang mit blinden Menschen. Das liege daran, dass sie vermehrt die digitale Öffentlichkeit für sich nutzen, meint von de Fenn. In den sozialen Medien zeigen sie ihre Lebensrealität: Von de Fenn posiert etwa beim Kampfsport, der Hamburger Erdin Ciplak filmt, wie er Menschen auf der Straße um Rücksicht bitten muss, Clinton Terry aus den USA postet seine Erfolge im Brazilian Jiu-Jitsu. Menschen wie sie erreichen Hunderttausende mit ihren Posts.
Nach dem Training zieht von de Fenn ein schwarzes T-Shirt an. In Gelb ist auf der rechten Brust das Blindenabzeichen gedruckt, darunter drei asiatische Zeichen. „Bushidō steht da“, sagt er. „Es bedeutet: Der Kämpfer, der seinen Weg geht.“
Torben Becker
Foto:
Jörg und Mario beim Training | credit: Christian Mang
PRINT: Tagesspiegel, 6. September 2023
Wenn aus Angst Mut wird – Line Defense für sehbeeinträchtigte und blinde Menschen
Nachdem Jörg vor 24 Jahren an seinem damaligen Wohnort im Allgäu mit Jiu-Jitsu begonnen hatte und in der Folge weitere Kampfkünste trainierte, zog er 2011 nach Berlin und trieb dort weiter aktiv Sport. Der Allroundsportler trainiert im Fitnessstudio, geht Bouldern, Klettern und Inlineskaten – ein Sport, bei dem er in diversen Kategorien Deutscher Meister geworden ist.
Auf der langjährigen Suche nach einem Kampfkunstlehrer, der ihn auf seinem Weg begleitet, begegnet er schließlich im Dokan Sportclub in Berlin-Weißensee Mario Pestel, der sich mit fast 40 Jahren Intensivtraining und über 20 Jahren Unterrichtserfahrung sofort bereiterklärte, mit ihm zu trainieren. Mario ist in leitenden Funktionen in internationalen und nationalen Organisationen aktiv, spricht fließend chinesisch und hat „Line Defense“, entwickelt, eine schnell zu lernende und effektive Art der Selbstverteidigung.
Beim Training im Fitnessstudio wird der Geschäftsführer Guido Wallmann zunächst auf Jörg aufmerksam und stellt den Kontakt zu Mario her. Die Bedürfnisanalyse zeigt dann, dass für Jörg vor allem die sichere Fortbewegung in der Öffentlichkeit im Vordergrund steht, was gerade in einer Großstadt wie Berlin wichtig ist. Line Defense ist hervorragend geeignet, um dieses Trainingsziel zu erreichen, denn dabei stehen das Trainieren und Fühlen von Körpermechanik und Raumkontrolle sowie die intelligente Aufnahme und Abgabe von Kraft im Fokus. Das alles kann beim Training im Kontakt permanent erfahren und verbessert werden.
Jörg machte schnell Fortschritte – zunächst im regelmäßigen Einzeltraining und später auch auf Seminaren, übrigens als einziger blinder Teilnehmer, was kein Problem darstellte. Selbst die Teilnahme am Waffenseminar war nach entsprechender Vorbereitung gut zu bewältigen und machte Spaß. Dabei kam interessanterweise auch der Blindenstock zum Einsatz. Zwei Highlights waren auch die Reise zum Line Defense Seminar nach Österreich ins Salzkammergut und die bestandene Prüfung zum Basic I Level.
Die alltäglichen Wege gelingen seitdem wieder sicherer und mit einem besseren Gefühl, wodurch sie zahlreicher werden. Für Jörg bedeutet dies mehr Freiheit, mehr Selbstvertrauen und letztlich auch ein Plus an Lebensqualität. Jörg und Mario wollen anderen sehbehinderten und blinden Menschen und auch Kampfkunstlehrenden zeigen, dass es geht – und zwar mit Erfolg. Sie hoffen, dass sie auf diese Weise auch andere inspirieren können.
Jörg von de Fenn und Mario Pestel
Der Autor Jörg von de Fenn ist aktives Mitglied im AK Sport der PRO RETINA. Autor Mario Pestel ist Kampfsportlehrer in Berlin.
Weitere Informationen auf www.taiji-berlin.de
Fragen beantwortet außerdem der AK Sport der PRO RETINA per E-Mail an sport@pro-retina.de.
Foto:
Jörg und Mario beim Training mit dem Teleskop-Langstock
PRINT: Retina aktuell 168 | 2/2023
2022
Inlineskates sind ein beliebtes Fortbewegungsmittel und eine Alternative zu Rollschuhen. Inlineskates bestehen aus einer Einheit von Schuh, Schiene und Rollen, wobei die vier Rollen hintereinander montiert sind. Aufgrund dieses Designs ist man auf Inlineskates schneller als auf Rollschuhen. Außerdem können mit der einspurigen Schiene Hindernisse besser und zügiger umfahren werden.
Schon längst sind die wendigen Skates auch ein Teil des Sehbehinderten- und Blindensports. Worin aber liegt die Faszination? Zum einen wird dabei der gesamte Körper beansprucht – man spürt danach, was man getan hat. Zum anderen kann die Bewegung an der frischen Luft erheblich zum Wohlbefinden beitragen. Beim Inlineskaten braucht man dem eigenen Laufniveau angepasste Skates, darüber hinaus einen festsitzenden Helm sowie Schutzausrüstung für Knie, Ellenbogen und Handgelenke.
Ach ja: Sehbehinderte Sportlerinnen und Sportler brauchen zusätzlich natürlich auch noch eine sogenannte Begleitläuferin oder einen Begleitläufer.
Skaten zu zweit
Die Aufgaben einer solchen Begleitperson, die auch als Guide bezeichnet wird, sind vergleichbar mit denen einer Begleitperson, die sehbehinderte und blinde Menschen bei einem Skirennen unterstützt. Im Unterschied zum Skirennen sind die beiden Partner nicht durch ein Headset verbunden, sondern durch direkten Kontakt der Hände oder durch eine Schlaufe. Die begleitende Person warnt vor Hindernissen und gibt Auskunft über die Beschaffenheit des Weges.
Zur zusätzlichen Sicherheit kann sich das Inline-Duo entsprechend kleiden, um als Begleitperson und als Mensch mit Sehbeeinträchtigung erkannt zu werden. Beim Inlineskaten zu zweit spielt Vertrauen eine große Rolle – der sehende und der sehbehinderte oder blinde Skater müssen sich aufeinander verlassen können.
Deutsche Meisterschaften
Ich betreibe diesen Sport schon sehr lange: 2007 habe ich erstmalig in Nürnberg auf der Bahn bei den Deutschen Meisterschaften im Speedskating für sehbehinderte und blinde Sportler teilgenommen. Dabei konnte ich im Laufe der Zeit mit meinen Top-Begleitläufern mehrere Medaillensiege erringen. Inlineskaten bedeutet für mich: viel Spaß, Abwechslung und Geschwindigkeit. Nur Mut, ab auf die Rollen!
Jörg von de Fenn
DER AUTOR
Jörg von de Fenn ist ein äußerst vielseitiger Sportler und Mitglied im AK Sport der PRO RETINA. Diagnose: Lebersche Hereditäre Optikus-Neuropathie (LHON).
Er ist in zahlreichen Disziplinen Deutscher Meister geworden, im Speedskating über 300, 500, 1.000, 2.000 und 3.000 Meter sowie über die Halbmarathon- und
Marathonstrecke.
Foto:
Jörg von de Fenn (links) beim Inlineskaten
PRINT: Retina Aktuell 165 | 2022
Blind joggen gehen, scheint für sehende eine unmögliche sportliche Aktivität zu sein. Jörg von de Fenn, ein blinder Sportler, zeigt bei den „Berliner freiwilligen Tage“, wie das Ganze funktionieren kann und auf was es dabei für ihn ankommt.
Vom 09.09 – 18.09.2022 fanden in Berlin die „Berliner freiwilligen Tage“ statt. Das Inklusive-Highlight dieser Tage war die Laufbegleiter*innen Aktion der Freiwilligenagentur Pankow, in der Jörg von de Fenn nicht nur als Vermittler des Arbeitskreises Sport der PRO RETINA Deutschland e.V. tätig ist, sondern auch den neuen Bereich „Ehrenamt mit Behinderung“ vertritt. Er selbst ist 1990 an einem seltenen Gendefekt erblindet und leidenschaftlicher Sportler. Daher organisierten sie gemeinsam am 14.09 eine Laufbegleiter*innen Aktion am Weißensee in Berlin.
Der blinde Sportler Jörg von de Fenn rüstet sich mit einer Expressschlaufe aus seiner Kletterausrüstung aus und nutzt diese, damit er sich mit einer sehenden Person verbinden kann. So kann gemeinsam das Joggen ermöglicht werden. Hier eignen sich ebenfalls auch andere Verbindungsschlaufen. Er selbst beschreibt aber die Kommunikation als wichtigstes Instrument, damit das Joggen ermöglicht werden kann. „Viele stellen sich das immer so schwierig vor. Das Ganze funktioniert, aber problemlos, wenn man mir einfach Bescheid sagt, wenn da eine Regenrinne kommt oder ein Poller, damit ich da nicht unbedingt reinrenne.“, erklärt von de Fenn. Für ihn daher unverständlich, dass er immer wieder erfolglos auf der Suche nach Begleitungen ist, auf welche er für Teilhabe im Sport angewiesen ist.
„Was brauchst du?“ war die Frage, die ihm als erstes bei dieser Aktion gestellt worden ist. Es selbst sagt, wie individuell die Bedürfnisse von blinden und sehbehinderten Menschen sind. Die Informationen die von de Fenn benötigt, können sich von den Informationen und Hilfsmitteln, die eine andere Person benötigt, unterscheiden.
Dass die Begleitung keine gesonderte Ausbildung benötigt, zeigt ein 7-jähriger Junge, der von de Fenn bei der Aktion mit Leichtigkeit als Laufbegleitung unterstützte. „Wenn da etwas kommt, sagst du mir einfach Bescheid“, erklärte er selbstverständlich seiner bisher jüngsten Begleitung. Mehrfach bat der Junge darum, sich ebenfalls als Begleitung ausprobieren zu dürfen.
Bürger*innen die vorbeilgingen wurden angesprochen und auf die Aktion aufmerksam gemacht. Von de Fenns persönlicher Erfolg: es ergab sich ein neuer Begleitkontakt und somit wird Jörg bald wieder Bouldern gehen können.
„Vielleicht gehen wir nächstes Jahr klettern“, malt sich von de Fenn die Aktion für das nächste Jahr aus.
Von de Fenn erhofft sich natürlich, dass mit der Aktion die Begleitungen für blinde und sehbehinderte Sportler*innen bekannter werden und diese vor allen Dingen auch einmal selbst ausprobieren können, wie das wirklich funktioniert. „Dass die Leute einfach mal sehen, wie es geht und das es geht und das es kein Problem ist“.
Nadine Rokstein
Journalistin
Foto:
Jörg von de Fenn mit Begleitläufer Roman beim Tandemlauf während der Berliner FreiwilligenTage 2022
Durchhaltevermögen ist für blinde Sportler:innen neben dem Sport auch bei der Suche von Sportvereinen und Fitnessstudios nötig. Obwohl von de Fenn topfit ist, sei es als Blinder schwierig, für manche Sportarten einen Vereinsplatz zu bekommen. Mit Begleitung wäre dies anders.
Durch die Lauf-Aktion bei den Freiwilligentagen am Weißen See konnten Kontakte genknüpft werden – so zum Beispiel mit einer Frau, die klettert. Wahrscheinlich weiß sie noch nicht, dass von de Fenns nächstes großes Ziel der Watzmann ist – die höchste Wand der Ostalpen.
Vincenz Hagen
Foto:
Bei der Lauf-Aktion des blinden Spitzensportlers Jörg von de Fenn machten auch kleine Sportler:innen mit. | credit: Vincenz Hagen
ONLINE: Tagesspiegel.Liveblog | 15. Sep. 2022 10:17
Jörg von de Fenn ist Profisportler und blind. Er erklomm den Großglockner, den Kilimandscharo und viele andere Gipfel. Mehrfach wurde er Deutscher Meister im Inline-Speedskating, in der Schadensklasse B1, der blinde Athlet:innen angehören.
Da all dies ohne Begleitung nicht möglich wäre, sucht von de Fenn eigentlich immer nach Begleitsportler:innen: akut für den Berlin Marathon im Inlineskaten am 24.September.
Der Weiße See ist einer seiner Trainingsorte. Dort hat er am Mittwoch einer Reihe von Interessierten gezeigt, wie man ohne zu sehen joggt. Über die Selbsthilfevereinigung Pro Retina Deutschland e.V. und die Freiwilligenagentur Pankow ist von de Fenn sportlich und ehrenamtlich sehr aktiv.
Vincenz Hagen
Foto:
Über die Kordel verbunden: Jörg von de Fenn erklärt, wie man ohne zu sehen joggt. | credit: Vincenz Hagen
Mit einem zweitägigen Stadionfest am 10. September sollen die vielfältigen Trainingsmöglichkeiten auf dem jetzt fertig gestellten Stadiongelände des BVB 49 präsentiert werden.
Just in diesen Tagen ist das Stadiongelände des BVB 49 in der Lichtenberger Siegfriedstraße komplettiert worden.
Mit finanzieller Unterstützung der Berliner Wasserbetriebe und des Berliner Senats hat das Bezirksamt jetzt auch noch das Sportfunktionsgebäude erweitert.
Im Verein sind jetzt 14 Sportarten beheimatet, darunter einige besondere Randsportarten wie American Flagfootball, Frisbeesport und sogar einem Schalmeienorchester.
Ein Motto gibt es für dieses Sportfest nicht, dennoch werden Begriffe wie Breitensport, Inklusion und Vielfalt das Vereinsziel des BVB 49 auch an diesem Tage herausstellen.
Dafür hat BVB-Präsident Wolfgang Gribb bereits jetzt eine große und besonders vielfältige Runde für sein Festkomitee gewinnen können. Mit von der Partie sind Jörg von de Fenn, blinder Bergsteiger und deutscher Meister im Speed-Skating, Mohammed El Ouahhabi, Sport-Integrations-Coach beim Landessportbund Berlin, Eventmangerin Chiara Haller, Vorsitzende vom Berliner eSport-Club e. V. sowie Abdoul Yacoubou von moveGLOBALBerlin, einer Initiative der multikulturellen Global Village gGmbH aus Neukölln.
Zahlreiche Interessen
Das Fest selbst wird zahlreiche Interessen und Inhalte von Breiten- und Inklusionssport in den Mittelpunkt rücken. Zentraler Bestandteil ist ein Fitnessparcours, der über sieben Stationen Übungen anbieten wird, an denen jedermann – ob rasant oder am Rollator – teilnehmen kann.
„Der BVB 49 ist ein Jedermann-Sportverein. Wir wollen hier auf unserem jetzt toll gestalteten Gelände mit Sprintstrecke, Kletterfelsen, elektronischer Torwand und den diversen Sportplätzen die Übungen so einrichten, dass auch Senioren und Menschen mit Handicaps teilnehmen können. An jeder Station gibt es einen Stempel für absolvierte Übungen und am Ende eine Medaille für alle teilnehmenden Sportler“, stellt der Präsident in Aussicht.
Multikulturelle Bandbreite
Auch für das Rahmenprogramm zur Veranstaltung hat der Vereins-Boss einige coole Ideen in petto. Vieles will er noch nicht verraten, aber auf einen Markt der Möglichkeiten in Sachen Inklusion, Vielfalt und Engagement, eine prominent besetzte Diskussionsrunde zum Inklusionsthema sowie Food-Angebote mit multikultureller Bandbreite dürfen sich die Besucher bereits jetzt freuen.
„Auch Musik, ein bisschen Show und natürlich Barbecue werden wir vorbereiten“, sagt Gribb, der sich besondere Hilfe vom Landessportbund mit ins Boot geholt hat: Sport-Integrations-Coach Mohammed El Ouahhabi bringt reichlich Input und Ideen mit seiner Initiative „Sportbunt„ zum geplanten Stadionfest mit.
„Wir wollen aber unbedingt noch mehr Beteiligung aus dem Kiez hier zum Fest bekommen. Alle Lichtenberger Vereine und Initiative, die ihre Arbeit für Integration und Vielfalt präsentieren wollen, können sich bei uns melden, um am Fest teilzunehmen“, appelliert Wolfgang Gribb.
Wer teilnehmen möchte, kann sich ab sofort beim
SV BVB 49 bei Silvia Riemer 030 559 67 69 oder beim Präsidenten selbst unter 0172 654 55 64 melden.
Stefan Bartylla
Foto:
Das Festkommitee vom BVB. von links nach rechts: Wolfgang Gribb, Jörg von de Fenn, Mohammed El Ouahhabi und Abdoul Yacoubou | von Stefan Bartylla
Inlineskates sind eine Einheit von Schuh, Schienen und Rollen. Im Unterschied zum Rollschuh sind die vier Räder voreinander auf eine Schiene angebracht. Aufgrund dieses Designs sind Inlineskates schneller als Rollschuhe. Außerdem können mit der einspurigen Schiene Hindernisse besser und schneller umfahren werden.
Schon längst sind die schnellen und wendigen Skates auch ein Teil des Blinden- und Sehbehindertensports, so Hans F. Popp gegenüber BIZEPS.
Nicht ohne einen Partner
Beim Inlineskaten braucht man herkömmlicherweise einen festsitzenden Helm und Schutzausrüstung für Knie, Ellbogen und Handgelenke, aber sehbehinderte Sportlerinnen und Sportler brauchen noch einen sogenannten Begleitläufer.
Popp erklärt, dass das Aufgabengebiet eines Begleitläufers oder auch Guides vergleichbar ist mit jenem der Begleitperson, die blinde Menschen bei einem Skirennen benötigen. Im Unterschied zum Skirennen sind die beiden Partner nicht durch ein Headset verbunden, sondern durch direkten Kontakt der Hände bzw. durch eine Schlaufe.
Die Begleitperson warnt vor Hindernissen und gibt Auskunft über die Beschaffenheit des Weges. Zur zusätzlichen Sicherheit kann sich das Inlineskate-Paar entsprechend kleiden, um als Mensch mit Sehbehinderung und Begleitläufer erkannt zu werden.
Beim Inlineskaten zu zweit spielt Vertrauen eine große Rolle – sowohl der sehende als auch der blinde Inlineskater müssen sich gegenseitig vertrauen.
Jörg von de Fenn (siehe Foto) betreibt diesen Sport schon sehr lange, hat auch mehrere Medaillen gewonnen und ist 7-facher Deutscher Meister im Speedskating.
Katharina Müllebner
" Inlineskaten fasziniert immer mehr Behindertensportlerinnen und -sportler. Diese Sportart beansprucht den ganzen Körper und das natürlich im Outdoorbereich! "
Foto:
Jörg von de Fenn (links) beim Inlineskaten
2021
Instagram-Post
Der Jahrestag meines treuesten und zuverlässigsten Begleiters, mein Blindenstock (seit gut 30 Jahren schon bewährt).
Wenn man ihn mal kennen und schätzen gelernt hat, weiß man wie hilfreich er im Alltag ist.
Viel ist möglich, vor allem wenn man den richtigen Rückhalt und Unterstützung hat.
In der Woche vom 19. bis 25. September fand die PRO RETINA LHON Kampagne statt. Das Ziel war es, Aufmerksamkeit für diese seltene Erkrankung zu erzeugen und Informationen zu LHON einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Bei der Leberschen Hereditären Optikusneuropathie (LHON) werden die Nervenzellen im Auge, die das Signal vom Auge zum Gehirn leiten, nicht mehr ausreichend mit Energie versorgt und verkümmern. Verantwortlich für die Sehprobleme sind die Mitochondrien, die Kraftwerke der Zellen. Bei LHON treten die Sehprobleme plötzlich auf und können innerhalb weniger Wochen bei beiden Augen einen hochgradigen Sehverlust entwickeln. Symbolfarbe der mitochondrialen Erkrankungen ist die Farbe grün, weshalb die PRO RETINA ihr Logo auch in diesem Jahr wieder für die Dauer der Kampagne grün eingefärbt hatte.
Zum zweiten internationalen LHON Tag am 19. September übermittelte Thomas Gesche, Bürgermeister von Burglengenfeld, sein Lebensmotto per Videobotschaft: „Es gibt nur einen Weg – und der geht nach vorne.“ Er ist selbst seit Kurzem von LHON betroffen. Eine solche Botschaft macht Mut. Auch in diesem Jahr zeigte PRO RETINA auf dem Kongress der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft im Oktober einen Kurzfilm über LHON.
In diesem Film teilt Roman, Betroffener der Erkrankung, seinen Alltag mit den Zuschauerinnen und Zuschauern, lässt sehr persönliche Einblicke zu und zeigt, dass er trotz Sehbehinderung ein erfülltes und glückliches Leben führt. Der Film wurde auf der PRO RETINA Website und in den sozialen Medien veröffentlicht.
Im Rahmen der LHON Woche hat PRO RETINA Menschen vorgestellt, die an LHON erkrankt sind. Sie erzählen in Interviews und im Podcast „Blind verstehen“ ganz persönliche Geschichten – von ihren Schicksalsschlägen, aber auch von ihrem Weg aus der Krise.
Sie haben mit ihren Geschichten andere Betroffene ermutigt und ihnen vielleicht auch dabei helfen können, ihre Lebensenergie wiederzufinden. Viele LHON Betroffene haben sich nach den Berichten gemeldet und sich für diese Mutmachgeschichten bedankt.
Dr. Sandra Jansen
Er ist erfolgreicher Speedskater, hat sich im Ju-Jutsu und Karate ausprobiert, fährt gerne Tandem und ist regelmäßig rund um den Weißen See aktiv. Sicherlich könnte man hier noch weitere Sportarten aufzählen, die Jörg von de Fenn leidenschaftlich gern betreibt. Vor einer Weile hat man ihn außerdem dabei bewundern können, wie er an einem Seil befestigt aus 125 Metern Höhe von einem Hochhausdach am Alexanderplatz „fliegt“. Begleitet hat ihn bei diesem Abenteuer ein wichtiges Hilfsmittel: sein weißer Langstock.
Der Sport war für den gebürtigen Krefelder schon immer wichtig, doch musste er sich im jungen Erwachsenenalter auf veränderte Bedingungen einstellen: Damals, als er gerade zum Koch ausgebildet wurde, ließ ihn eine Erkrankung des Sehnervs auf beiden Augen innerhalb weniger Tage erblinden. Das hat Jörg von de Fenn aber nicht davon abgehalten sich bald darauf auf neue anspruchsvolle Wege zu wagen – und dabei hohe Gipfel zu erklimmen. Bergtouren führten ihn unter anderem auf den Großglockner in Österreich, den Elbrus in Russland und den Kilimandscharo in Tansania. Seine Begleiter:innen erfüllten und erfüllen die Unternehmungen wohl oft mit mindestens genau so viel Stolz wie ihn. „Wir haben schon viele Leute auf den Großglockner hochgebracht, aber noch keinen Blinden“, sagte ihm einmal ein Bergführer.
Vor etwa einem Jahrzehnt führte Jörg von de Fenns Weg zum Glück nach Berlin. Mitgebracht hat er viel von seinem Enthusiasmus und seiner Bereitschaft, sich ehrenamtlich zu engagieren. So ist er beispielsweise der Beauftrage für Berlin und Brandenburg im „Arbeitskreis Sport“ des Vereins PRO RETINA Deutschland e. V. „Wir machen uns auf die Suche für Blinde und Sehbehinderte, die auf der Suche nach einer Begleitung für ihre Aktivitäten sind“, beschreibt er seine Tätigkeit.
Zurzeit macht er außerdem eine Weiterbildung zum ehrenamtlichen Berater innerhalb des Vereins. Hinzu kommen Veranstaltungen im Stadtteilzentrum Weißensee und Aktionen, etwa zum Tag des weißen Stockes oder dem Welt-Braille-Tag, bei denen Jörg von de Fenn seine Erkrankung thematisiert, Hilfsmittel für Blinde und Sehbehinderte würdigt oder in Workshops auf Barrieren zwischen Betroffenen und ihrem Umfeld aufmerksam macht.
Vielen Dank für das Engagement, Jörg von de Fenn!
PS:
Er selbst würde sich aktuell über eine:n Trainingspartner:in für Inliner-Fahrten in der Umgebung freuen, um nach der Winterpause wieder fit zu werden!
Kontaktaufnahmen sind willkommen unter:
0176 12300789 | joerg@von-de-fenn.eu
I.W.
Foto:
Mit Langstock beim „Base Fly“ am Alex: Jörg von de Fenn | von A. Mölich
2020
In der Woche vom 13. bis 19. September fand die LHON Kampagne statt. Ziel ist es gewesen, diese seltene Erkrankung bekannter zu machen. Bei der Leberschen Hereditären Optikusneuropathie (LHON) werden die Nervenzellen im Auge, die das Signal vom Auge zum Gehirn leiten, nicht mehr ausreichend mit Energie versorgt und verkümmern. Die Sehprobleme treten plötzlich auf und können innerhalb weniger Wochen bei beiden Augen einen hochgradigen Sehverlust entwickeln.
Roman
Zum Auftakt der Kampagne lief ein informativer Kurzfilm über Roman, der vor einigen Jahren an LHON erkrankt ist. Zuschauerinnen und Zuschauer erhielten sehr persönliche
Einblicke in seinen Alltag und erlebten, dass er trotz Sehbehinderung ein erfülltes und glückliches Leben führt. Der Beitrag wurde auf der PRO RETINA Website und in den sozialen Medien veröffentlicht und geteilt – erreicht wurden mittlerweile über 20.000 Menschen.
Auf dem Kongress der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) im Oktober lief der Film ebenfalls, um auch Ärztinnen und Ärzte für diese schwer zu diagnostizierende Erkrankung zu sensibilisieren. Im Laufe der Aktionswoche wurden Menschen vorgestellt, die an LHON erkrankt sind. Sie alle erzählten ihre ganz persönliche Geschichte, berichteten von Schicksalsschlägen, aber auch über ihren Weg heraus aus der Krise. Sie haben mit ihrer Geschichte Mut gemacht, damit auch andere Betroffene ihre Lebensenergie wiederfinden.
Viele LHON Betroffene haben sich gemeldet und sich für diese Mutmachgeschichten bedankt. Nochmals ein besonderer Dank an unsere Mutmacher Roman, Katrin und Lucas, David, Nadine, Andreas, Christiane und Jörg.
LHON Awareness Day
Am 19. September fand zum ersten Mal der Internationale Tag der LHON Erkrankung statt. An diesem Tag hat sich PRO RETINA Mitglied und Extremsportler Jörg von de Fenn etwas ganz Besonderes einfallen lassen: Er buchte für sich am Alexanderplatz in Berlin einen „Base Fly“.
Angeseilt in einer Spezialkonstruktion ging es aus 125 Metern mit beinahe Freifallgeschwindigkeit in die Tiefe. Erst in letzter Sekunde wurde die Abseilwinde automatisch abgebremst.
Mit dieser Aktion hat Jörg auf die Erkrankung aufmerksam gemacht und gezeigt, dass trotz einer Sehbehinderung ein selbstbestimmtes Leben möglich ist. Danke für Deinen Mut, Jörg! PRO RETINA bedankt sich außerdem sehr herzlich bei Maik Meuser, dem Schirmherrn der LHON Kampagne.
Dank des Engagements von Journalist und Fernsehmoderator Maik Meuser ist LHON in das Bewusstsein vieler Menschen gerückt und hat sie sensibilisiert für die Bedarfe von Menschen mit einer fortschreitenden Seheinschränkung
Dr. Sandra Jansen
Foto: Mit Langstock beim „Base Fly“ am Alex: Jörg von de Fenn | von A. Mölich
PRINT: Retina aktuell| 2020
1. Was bringt Sie zum Lachen?:
Rheinländer und Eddi Murphy
2. Was wollten Sie schon immer einmal machen und warum haben Sie sich bisher nicht getraut?:
Watzmann-Ostwand und/oder Eiger-Nordwand, da ich leider bisher keinen geeigneten Bergführer/Begleiter gefunden habe, der „verrückt“ genug war, mit mir die Klettertour zu wagen
3. Welcher Mensch hat Sie bisher am meisten beeinflusst? Und warum?:
„Schimanski“, weil er Klartext gesprochen hat.
4. Sie haben die Chance Bundesbehindertenbeauftragte/r zu werden. Was wäre Ihre erste Amtshandlung?:
Ich würde mich dafür einsetzen, dass die bereits bestehenden Gesetze zu Inklusion und Barrierefreiheit umgesetzt und im Alltag gelebt werden
5. Was liegt Ihnen besonders am Herzen?:
Nette und unkomplizierte Mitmenschen
6. Ich wäre gern einmal …:
Eishockeyspieler
7. Auf welche Fragen wünschen Sie sich eine Antwort?:
Warum haben so viele ein Problem mit ihren Mitmenschen, die in ihrem Äußeren nicht der „Norm“ entsprechen?
8. Was ich noch sagen wollte …:
Weniger Neid und Missgunst innerhalb der Blindengemeinschaft macht das Leben leichter, denn wir sitzen schließlich alle in einem Boot.
Name:
Jörg von de Fenn
Alter:
51
Wohnort:
Berlin
Bezug zum Thema Behinderung:
Seit 30 Jahren an LHON erblindet
Webseite:
www.von-de-fenn.eu
Social Media Kanäle (Facebook, Twitter, Instagram etc.):
Instagram, Facebook
Copyright für Fotos:
Jörg von de Fenn
Jörg von de Fenn hat etliche Berge bestiegen und war als Inlineskater mehrfacher Deutscher Meister über verschiedene Distanzen.
Früher hat er Jiu-Jitsu gemacht, jetzt betreibt er eine Adaption von Ninjutsu, beides Selbstverteidigungssportarten. Die stärken auch das Selbstbewusstsein, meint der Wahl-Berliner. Er berichtet auch, was Herrendüfte mit Currywurst und Krimis mit Schlaftabletten zu tun haben.
Von Jörg von de Fenn
Ich bin mit 21 Jahren an LHON (Lebersche Hereditäre Optikus-Neuropathie) erblindet. Die ersten sechs Jahre bin ich von Klinik zu Klinik gefahren, und die Ärzte haben bloß einen kaputten Sehnerv gesehen, aber keiner wusste, warum. Erst in Tübingen haben sie es durch einen Gentest herausgefunden. Die Krankheit war damals kaum bekannt.
Als die Diagnose feststand, bin ich zum Wandern nach Osttirol gefahren. Einer der Bergführer hat mich angespitzt, er habe schon viele hochgebracht auf den Gipfel des Großglockners, aber noch keinen blinden Menschen. Es war richtiges Bergsteigen, und wir waren bis oben am Gipfelkreuz. Am Bergsteigen fasziniert mich die Ausdauer, die man braucht, also der Sport. Bei den größeren Touren, am Kilimandscharo und den anderen Fünftausendern, waren wir eine Woche unterwegs. Das war abenteuerlich, aber man hat kaum Kletterabschnitte dabei. Das größte Abenteuer ist die Tour selbst, einfach, unterwegs zu sein.
Am Krater des Kilimandscharo
Auf dem Kilimandscharo war ich mit einem Kumpel, mit dem ich auch schon Wandererfahrung in den Oberstdorfer Bergen gesammelt hatte. Wir erreichten den höchsten Punkt, den Uhuru Peak auf 5.895 Metern Höhe, und standen oben am Krater. Mir sind die Tränen gelaufen.
Das war ein besonderes Erlebnis.
Auf dem Kilimandscharo sieht man immer Wandergruppen. Man muss ein bisschen klettern, aber sonst ist es zu schaffen. Als wir dort waren, war in einer anderen Gruppe eine Engländerin, die mussten sie wieder hinunterbringen, weil sie schon auf 2.000 Metern Kreislaufprobleme hatte.
Ich würde gern noch den Mont Blanc oder den Aconcagua besteigen. Aber der ist mittlerweile auch überlaufen, und für eine dreiwöchige Tour mit einem einheimischen Begleiter wollen sie 7.000 Dollar haben. Den letzten Berg habe ich 2012 bestiegen, das war der Ararat, der höchste Berg der Türkei, 5.165 Meter hoch.
Keine Angst beim Bergsteigen
Ich bin jemand, der einfach das machen möchte, was ihm Spaß macht, und wenn er nebenbei noch erfolgreich ist, ist es auch schön. Klar brauche ich Ehrgeiz – was die Berge angeht, da musste ich schon mal die Zähne zusammenbeißen. Unser Gipfeltag am Ararat hat sechzehneinhalb Stunden gedauert, da sind wir nachts um eins los und waren am nächsten Nachmittag um halb sechs wieder unten.
An eine Situation beim Bergsteigen, die aufgrund meiner Blindheit gefährlich wurde, erinnere ich mich nicht. Die anderen Leute hatten immer mehr Angst als ich. Nur die Österreicher nicht, die sind da schmerzfrei. Einmal wollte ich mit einem Bergführer auf die Blauspitze, und der meinte, bei dem, was ich alles gemacht hätte, wäre das kein Problem. Wenn ich so etwas in Deutschland versuche, dann kommen sie, wenn ihnen gar nichts mehr einfällt, mit der Versicherung. Deswegen darf ich auch nicht allein auf ein Kreuzfahrtschiff. Besoffen darf man über die Reling fallen, aber blind nicht. Da wundert man sich.
Den bekannten blinden Bergsteiger Andy Holzer habe ich auch kennengelernt. Er hat die „Seven Summits“, also die sieben höchsten Gipfel der sieben Kontinente, absolviert. Es war aber nie mein Ziel, die zu schaffen. Einige reizen mich auch nicht. Wenn ich an die Carstensz-Pyramide denke: drei Tage blind durch den Urwald bei hundert Prozent Luftfeuchtigkeit – nein danke.
Verein Pfeffersport „Selbstverteidigung inklusiv“
In Berlin betreibe ich beim Verein Pfeffersport „Selbstverteidigung inklusiv“, das ist eine Adaption von Ninjutsu, eine Kampfsportart, bei der ich gerade meine ersten Schülergrade absolviere. Die Gruppe ist heterogen mit Rollstuhlfahrern und -fahrerinnen, Menschen ohne Behinderung, Menschen mit kognitiven Einschränkungen und mir. Wir lachen jede Menge und sind eine tolle Truppe. Zuvor hatte ich bereits an meinem früheren Wohnort im Allgäu in der Selbstverteidigungssportart Jiu-Jitsu meinen orangefarbenen Gürtel abgelegt.
Selbstverteidigung stärkt auch das Selbstbewusstsein. Ich gehe hier in Berlin anders über die Straße als im Allgäu. Hier gehe ich gerade. Auf dem Dorf bin ich immer geduckt gegangen, damit mich ja keiner sieht. Es bestanden mehr Vorbehalte.
Seit 2020 kann ich auch wieder Inlineskaten. Über Pfeffersport bin ich beim Verband gemeldet und freue mich, wenn ich ohne dem Corona-Virus geschuldete Einschränkungen wieder befreit Sport treiben kann.
Morgens früh gehe ich normalerweise zwei- bis dreimal die Woche ins Fitnessstudio, ohne Begleitung. Wo die Geräte stehen, hat man mir gezeigt, und man hilft mir auch bei Fragen. Eine Begleitperson zu finden, ist immer ein Problem, egal, ob ich joggen gehe, Nordic Walking mache oder Inlineskating. Ich habe schon viel probiert, um Begleitläufer zu finden, zum Beispiel 5.000 Streichholzschachteln verteilt mit einem entsprechenden Text. Wenn ich eine Einkaufshilfe suche, ist spätestens die zweite Frage, was man bei mir verdienen kann. Ich habe eine andere Einstellung. Während meiner Kochlehre in einem Altenheim habe ich nach der Arbeit die älteren Herrschaften im Rolli an der Lahn entlanggefahren, und da war es mir schon peinlich, wenn man mir zwei Mark in die Hand gedrückt hat.
„Ich koche immer noch gern“
Ich shoppe gern. In die Läden, die ich kenne, gehe ich allein. Ich habe zum Beispiel seit Jahren einen sehr guten Herrenausstatter. Düfte habe ich viele, im Moment sieben Eaux de Toilette und vier Aftershaves. Wenn ich mir einen guten Duft gönne, gibt es halt eine Currywurst weniger. Ich koche auch immer noch gern. Und ich höre gern Hörbücher. Je spannender es wird, desto schneller schlafe ich ein. Bei Krimis und Thrillern kann bei mir keine Schlaftablette mithalten. Wenn die 45er durchgeladen wird, schlafe ich am besten ein.
In Memmingen war ich fünf Jahre lang bei der Stadtverwaltung tätig, bevor ich im Januar 2011 nach Berlin gezogen bin. Mir haben andere Skater schon vorher die Nase lang gemacht, dass es hier bessere Trainingsmöglichkeiten geben würde. Ich habe mir mehr Chancen versprochen, was den Sport und die Begleitung angeht, aber es ist nicht so gut gelaufen.
Viele Jahre habe ich nur eine Erwerbsminderungsrente und Blindengeld bekommen, aber bald werde ich wieder als Telefonist arbeiten, diesmal bei einer Bundesbehörde. Es ist eine Vollzeitstelle mit Schichtdienst, und ich muss gucken, dass ich noch ins Fitnessstudio komme. Meine Erwerbsminderungsrente fällt natürlich weg, darum haben die meisten auch gefragt: Wieso machst du denn so was? Ja, weil ich etwas tun will!
Ich bin zufrieden. Auch wenn es mit der Arbeit nicht geklappt hätte, wäre ich es, denn mit der Stelle habe ich nicht gerechnet. Es kommt immer darauf an, was man ausstrahlt. Wenn ich die ganze Zeit erzählen würde, wie arm ich dran bin, käme das auch wieder zurück.
Jörg von de Fenn (51) lebt in Berlin.
Protokoll: Ute Stephanie Mansion
Kurzinfo:
Erfolgreicher Inlineskater
Jörg von de Fenn war im Inline skaten sehr erfolgreich: Er wurde in den Jahren 2007 und 2008 siebenmal Deutscher Meister bei den blinden und sehbehinderten Skatern in der Schadensklasse B1 und Altersklasse 30, und zwar in den Disziplinen Speedskating auf der Bahn (Distanzen von 300 bis 3.000 Meter), Halbmarathon- und MarathonSpeedskating. In Berlin nahm er dreimal am Skater-Halbmarathon und zweimal am Skater-Marathon teil. Beide Veranstaltungen fielen in diesem Jahr coronabedingt aus. Jörg von de Fenn hätte sonst daran teilgenommen – sofern er eine Begleitperson gefunden hätte.
FOTO:
Jörg von de Fenn ist ein Stück einen steil aufragenden Berg hochgeklettert.
Der blinde Allround-Spitzensportler Jörg von de Fenn ist als Bergsteiger, Inlineskater und Kampfsportler (Selbstverteidigung) bekannt. 1990 erkrankt, erhielt der heute 50-Jährige 1996 nach einem Gentest die Diagnose Lebersche Hereditäre Optikus-Neuropathie(LHON). Das Leben geht seitdem für ihn vor allem sportlich weiter: Seine Hobbys Bergsteigen, Inlineskaten und auch die Selbstverteidigung nehmen einen wichtigen Platz in seinem Alltag ein. Dabei ist er stets auf der Suche nach Trainingspartnern und Tandempiloten, die mit ihm zusammen die Herausforderungen meistern.
Gipfelstürmer
1999 bestieg der gebürtige Krefelder mit einem einheimischen Bergführer den Großglockner(3.798 Meter). Er war wohl damals der erste Blinde auf dem Gipfel des höchsten Berges in Österreich und suchte fortan nach weiteren Zielen. Aber es fehlten – wieso oft – die Begleiter. Im März 2009 schließlich gelang es, zusammen mit einem Freund aus dem Allgäu den höchsten Berg Afrikas, den Kilimandscharo (5.895 Meter) zu bezwingen. Drei Monate später, im Juni 2009,konnte der höchste Berg Europas auf der Liste abgehakt werden: Der Elbrus im Kaukasus ist ein ruhender Vulkan an der Grenze zwischen Russland und Georgien und misst 5.642 Meter (Westgipfel). Damit war auch der zweite der „Seven Summits“ bezwungen, den jeweils höchsten Bergen der Kontinente. Im August 2012 gelang der Aufstieg auf den Ararat, den mit 5.165 Metern höchsten Berg in der Türkei.
Sieben Mal Deutscher Meister
„Gemeinsam rollts“, so das Motto, wenn Jörg von de Fenn gemeinsam mit einem Begleiter auf Rollen unterwegs ist – und das ist er extrem erfolgreich: Insgesamt errang er in den Jahren 2007 und 2008 sieben Deutsche Meisterschaften bei den Blinden und Sehbehinderten in der Schadensklasse B1 und Altersklasse 30 in den Disziplinen Speedskating auf der Bahn (Distanzen: 300, 500, 1.000, 2.000 und 3.000 Meter), Halbmarathon (21,0975 Kilometer) und Marathon Speedskating über 42,195 Kilometer. Von 2010 bis 2012 war er drei Mal beim Halbmarathon in Berlin dabei und zwei Mal beim großen Berlin-Marathon Inlineskating (2010und 2011). Der Wahlberliner hat mittlerweile beim Berliner Verein Pfeffersport e. V. angeheuert, kann dort sowohl das Skaten als auch den Kampfsport betreiben. Der Verein gehört mit 4.500 Mitgliedern zu den größten Vereinen in Berlin, bietet zahlreiche Sportmöglichkeiten an (www.pfeffersport.de), darunter seit Ende der 1990er Jahre zahlreiche Inklusionssportgruppen. Allein in der Sektion „Bewegung Integrale“ trainieren mehr als1.400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer Woche für Woche zusammen.
Von Jiu-Jitsu zum Ninjutsu
Als Kampfsportler hat von de Fenn an seinem vorherigen Wohnort im Allgäu Jiu-Jitsu praktiziert. In Berlin ist er nun zum Ninjutsu gewechselt. Beide sind mit dem Judo verwandte Selbstverteidigungstechniken und laut von de Fenn hervorragend für sehbehinderte und blinde Menschen geeignet. Im Dezember 2000 hat er den sechsten Grad(gelber Gürtel), und im März 2001 den fünften Grad (orangefarbener Gürtel) im Jiu-Jitsu erworben; er trainiert nun seit Juni 2019 im Pfeffersport-Kurs „Selbstverteidigung inklusiv“. Sein Ziel ist es auch hier, die Prüfungen zu bestehen und die ersten Schülergrade „Kyu“ im Ninjutsu zu erreichen. Von de Fenn wohnt seit neun Jahren in der Hauptstadt und trainiert auch noch nebenbei im Fitnessstudio. Seit fast 30 Jahren ist er von LHON betroffen, seit 2002 in der Erwerbsminderungsrente. Für seine sportlichen Herausforderungen ist er immer auf der Suche nach Begleiterinnen und Begleitern, die mit ihm trainieren, wandern oder verreisen .
Anm. d. Red.: Nach Redaktionsschluss ist bekannt geworden, dass Pfeffersport mit dem „Großen Stern des Sports" in Gold ausgezeichnet worden ist. Die Ehrung erhielten Vereinsvertreter aus den Händen von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Redaktion wünscht weiterhin viel Erfolg bei der „Mission Inklusion“.
Christiane Bernshausen
Foto:
"In der Vertikalen" - Jörg von de Fenn am Schuastagangl-Klettersteig in Österreich | von Jörg von de Fenn.
Der Schuastagangl ist ein Klettersteig an der Grenze von Bayern und Österreich, nahe St. Johann. Der Steig befindet sich an den kalkigen Westabbrüchen der Waidringer Steinplatte (1.869 Meter), bietet steile Aufschwünge und einige Leiterpassagen.
2011
Krefeld.
Sicher, einen Berg zu besteigen, ist nie eine Kleinigkeit. Doch bei Jörg von de Fenn ist das Erklimmen des Kilimandscharos oder des Großglockners eine besonders beeindruckende Leistung. Denn der 42-Jährige ist blind. Zu den Leidenschaften des gebürtigen Krefelders zählen neben dem Bergsteigen auch noch Tauchen und Inlineskaten.
Aufgrund einer Erkrankung am Sehnerv verliert von de Fenn 1990 quasi von einem auf den anderen Tag seine Sehfähigkeit. Seine Ausbildung zum Koch kann er nicht fortsetzen. In Würzburg lernt er Blindenschrift und lässt sich zum Telefonisten ausbilden.
In Memmingen im Allgäu findet er einen Job und lernt seine Frau kennen. Extremsport hat von de Fenn früher nicht betrieben. „Ich war sportlich, aber nicht so extrem. Mit meinem Bruder habe ich früher bei den KEV-Bambinis gespielt“, erzählt er.
1996 geht es in den Urlaub nach Österreich. „Da hat mich dann unser Bergführer auf das Bergsteigen heiß gemacht.“ Drei Jahre sollte es dauern, bis von de Fenn sich tatsächlich in luftige Höhen traute. „Ich war mir nicht sicher, ob ich das machen soll oder kann. Aber der Bergführer hat nicht locker gelassen.“
Mit ihm besteigt von de Fenn den Großglockner. „Er hat mich einfach an die lange Leine genommen und dann sind wir losgelaufen“, sagt von de Fenn.
Was beim ersten Mal noch relativ einfach ist, gestaltet sich bald schwieriger. „Ich habe ein paar Jahre gesucht, bis ich jemanden gefunden habe, der mich mitnimmt.“ Die Suche nach einer Begleitung oder Reiseveranstaltern, die einen Blinden mitnehmen, ist eine höhere Hürde als die Berge an sich. „Es ist mühselig und eine ewige Sucherei“, sagt er.
So ist es schon seit einigen Jahren sein Traum, den höchsten Berg Amerikas, den Aconcagua in den Anden (6962 Meter) zu besteigen. Aber es hapert an der Begleitersuche. „Im Januar kann ich hoffentlich mit. Aber wenn man einen Begleiter gefunden hat, kommen die Kosten noch dazu.“
Dennoch hat der 42-Jährige immer wieder jemanden gefunden, der ihn „an die Leine genommen“ hat. Neben dem Großglockner war von de Fenn unter anderem auf dem 5642 Meter hohen Elbrus im Kaukasus, auf dem Dachsteingebirge in Österreich und auf dem 5137 Meter hohen Ararat in der Türkei.
Die Tour zum Kilimandscharo (5895 Meter) zählt zu seinen besten. „Das ging ganz unkompliziert. Als wir um 5.50 Uhr morgens oben angekommen sind, war der Jubel groß. Da war um die Uhrzeit schon eine Riesenstimmung“, erinnert er sich.
Als die Menschen auf dem Gipfel mitbekommen, dass von de Fenn blind ist, gratulieren sie ihm. Sogar zwei Reporter von einer tansanischen Zeitung bitten ihn zum Interview. Denn blinde Bergsteiger sind schon eine Seltenheit. „Es gibt zwar Wanderungen für Blinde, aber das, was ich jetzt mache, da bin ich als Blinder allein.“
Dabei möchte er gar nicht unbedingt Aufmerksamkeit mit seinem Hobby erregen. „Ich habe Spaß dran, und wenn ich andere damit motiviere, freue ich mich. Aber ich muss nicht im Mittelpunkt stehen.“
Von de Fenn bereitet sich auf seine Abenteuer nicht speziell vor. Dreimal in der Woche geht er ins Fitnessstudio. „Auf die Höhe kann man sich nicht vorbereiten, das ist eine Körpersache.“ Auch seine Begleiter müssen nicht speziell auf die Führung von Blinden geschult sein. Obwohl der Aufstieg etwas länger dauert, „bin ich trotzdem nie der Letzte“.
Während Sehende den Ausblick vom Gipfel genießen, ist die Belohnung für von de Fenn eine andere: „Es geschafft zu haben.“ Sein Leben sei positiver geworden. „Für mich ist es sehr viel wert. Wenn man in meiner Situation ist, muss man immer noch eine Schüppe drauflegen.“
Miriam Drescher
PRINT: Westdeutsche Zeitung | 16. November 2011
4.August 2011
1 Uhr nachts, 25 Grad Celsius: Da sind wir, Landung in Diyarbakir,der Osten der Türkei mitten im Ramadan. Unser einheimischer Reiseführer Bülent begrüßt uns mit dem Hinweis, dass am Tage 43 Grad Celsius gemessen wurden.
Unsere erste Tour an diesem Tag führt uns auf den erloschenen Vulkan Nemrut Dağ am Van-See: Die kleinen Busse zum Ausgangspunkt der ersten Tour schütteln uns durch, warmer Wind und Staub in rauen Mengen dringen durchs offene Fenster.
Dort treffen wir auf einen unserer Bergführer für die Ararat-Expedition.
Youssuf führt uns über Geröllfelder die Kraterwände hinauf. Schließlich genießen wir die Abkühlung in einem von Thermalquellen gespeisten See mitten im riesigen Krater.
Am 5.August auf der Überfahrt zur Insel Akdamar berichtet man mir vom türkisblauen Wasser des stark alkalischen Sees. Die Einheimischen nennen ihn auch das Van-Meer, ist er doch siebenmal größer als der Bodensee.
Die Heilige-Kreuz-Kirche der Insel stammt aus dem 10.Jh. Dieser wichtigste armenische Sakralbau bietet zahlreiche Aussenreliefs zur biblischen Geschichte. Diese werden uns wortreich von unserem Reiseführer Bülent erklärt.
Weiter geht es zum Muradiye-Wasserfall, dessen Hängebrücke wieder für etwas Nervenkitzel sorgt. Nach einer Rast setzen wir unsere stundenlange Fahrt über unwegsame, türkische Straßen fort: Die Serpentinen mehren sich.
Die Mitreisenden berichten mir von Feldern aus Lavagestein, die die Nähe des Bergriesen ankündigen.
In Doğubayazit, auf 1700 Metern Höhe, beziehen wir schließlich unser Expeditionshotel im Schatten des Ararat. 5165 Meter warten gelassen unter einer Wolkendecke auf ihre Bezwingung.
Die Nacht ist kurz, die Kleinbusse am nächsten Morgen schnell beladen, einzig die Polizeibehörde vor Ort verzögert noch unseren Aufstieg. Das heißt warten, die Pässe und Sportvisa werden nochmals argwöhnisch beäugt: Die Spannung steigt.
6. August
Die Busse starten und wir schlucken wieder Staub, bis wir auf 2200 Meter auf die Transportpferde und die weiteren Bergführer treffen.
Die Trekkingstöcke gezückt starten wir zum Basislager. Der erste Aufstieg lässt es bereits erahnen: Der Berg hat uns nicht eingeladen: Geröll, Geröll, Geröll.
Die schwer beladenen Pferde ziehen ans uns vorüber: Da wünscht man sich Hufe.
Für 100 US Dollar die Stunde bietet man uns ein horse taxi an. Wir lehnen dankend ab. Nach etwa 4 Stunden beziehen wir Quartier im Basislager auf 3200 Metern Höhe im kleinen Iglu-Zelt. Das erste Abendessen am Berg mit in Butter geschwenkten Nudeln an der improvisierten Tafel ist köstlich und die erste ruhige Nacht jenseits der Stadt bricht an.
7.August: Über Serpentinen geht es zum Akklimatisieren Richtung Hochlager auf 4200 Meter Höhe.
Die Höhenanpassung gelingt, nur beim Abstieg zeigt sich der Ararat von seiner unfreundlichen Seite: Es hagelt. Hoch steigen, tief schlafen. Die zweite Hürde geschafft.
Diese Nacht wird uns ein heftiges Gewitter am Berg bescheren: So nahe am Himmel klingt das gar gewaltig. Nun sind die Bergstiefel nass und werden auch nicht mehr trocken.
Die steigeisenfesten Schuhe tragen uns am nächsten Morgen zum Hochlager: Es wird steiler, mühsamer. Auf 4200 Metern angelangt warten eine warme Mahlzeit und ein größeres Zelt, doch die Nacht wird kurz: Ein Wasserfall stürzt die Felswand hinunter, untermalt die Nacht.
Gegen 24 Uhr geht ein Weckruf durchs Camp: Ich springe aus dem Zelt. Ganz vorsichtig versteht sich, bei all dem Gestein.
9. August
Der Gipfeltag ist da. Das Trinksystem ist befüllt, die Kohlenhydrat-Riegel verstaut. Gegen 1 Uhr nachts beginnt der entscheidende Aufstieg.
Die abrutschenden Hänge fordern immer mehr heraus: Sand, Geröll - Geröll, Sand.
Der Gang über den Gletscher dann, auf etwa 4900 Metern Höhe, lässt die Nähe des Gipfels erahnen.
Gegen 7 Uhr 30 Ortszeit erreichen wir schließlich geschafft aber glücklich den höchsten Punkt der Türkei in 5165 Metern Höhe.
Nach einer ausgiebigen Gipfelrast bei schönstem Sonnenschein heisst es dann auch schon wieder Absteigen. Das wird ungleich spannender, fordert das Gelände doch alle Konzentration. Die Bergführer rasten zum Gebet.
Im Hochlager wird kurz zusammengepackt und ein Kaffee gereicht, denn heute geht es noch zurück ins Basislager. Nach 16 einhalb Stunden auf den Beinen endet der Gipfeltag für mich bei einem warmen Abendessen und gegenseitigen Glückwünschen.
Der Schlaf ist gut, die Nacht ruhig, morgen wartet der Abstieg ins Tal.
10. August
Nun wird auch das Küchenzelt mit seinen unermüdlich Kaffee- kochenden Bergführern abgebaut, die Pferde beladen, wir nehmen Abschied vom Zeltleben.
Wir bahnen uns den steinigen Weg ins Tal, vorbei an kurdischen Familien und Rasten am Gebirgsbach. Im Expeditionshotel empfängt man uns mit einem Grillnachmittag.
11.August: Unser Reisebus bringt uns nach Iğdir. Greenpeace hat dort als Mahnung zum Klimawandel ein Model der Arche Noah errichtet. Ein weiterer kultureller Höhepunkt: Wir besuchen Ani, die „Stadt der tausend Kirchen“.
Die einstige armenische Hauptstadt liegt heute in Trümmern unter der sengenden Sonne Ostanatoliens. Einzig ein Flusstal trennt uns nun noch vom Nachbarland Armenien. Die Präsenz der mittelalterlichen Stadt versetzt die Reisegruppe in ehrfurchtsvolles Staunen.
Die letzte Nacht auf türkischem Boden verbringen wir dann in Kals: Der Ruf des Muezzin weht zu unserem Hotel hinüber.
12. August
Abflug vom Flughafen Erzurum:
Wir kehren dem biblischen Berg in Ehrfurcht den Rücken. Güle, güle, Ararat.
Jörg von de Fenn
Krefeld. Der Krefelder Jörg von de Fenn ist seit seinem 21. Lebensjahr blind. Das hindert ihn aber nicht daran, die höchsten Berge zu bezwingen: den Großglockner zum Beispiel, den Ebrus im Kaukasus oder den Kilimandscharo. Momentan besteigt er den Ararat in der Türkei.
Sein Bergführer Toni hatte ihm damals, als sie den Großglockner bezwangen, gesagt: "Du kannst noch mehr! Du musst weitermachen!" Es war die Aufforderung an einen leidenschaftlichen Bergsteiger, eine eigentlich unmögliche Sache buchstäblich auf die Spitze zu treiben. Denn Jörg von de Fenn (41) ist seit 20 Jahren blind.
Der Krefelder war der erste Blinde, der auf dem Gipfel des Großglockners stand, dem höchsten Berg Österreichs mit knapp 3800 Metern. Ein alpinistisch herausfordernder Berg, der zwischen Vor- und Hauptgipfel einen schmalen Grat aufweist, den manche nur auf dem Hosenboden "hinüberreiten". Jörg von de Fenn aber ging aufrecht, wo es auf beiden Seiten 600 und mehr Meter steil abbricht. "Ich konnte nicht in die Tiefe schauen", sagt er mit trockenem Humor.
Sein Tourenbuch wäre auch für Menschen ohne Handicap eindrucksvoll: Zu seinem 40. Geburtstag stand er auf dem knapp 6000 Meter hohen Kilimandscharo; im selben Jahr bezwang er den Elbrus, einen eisigen Riesen im Kaukasus, geführt von einem Begleiter. Er übt an Kletterwänden, geht dreimal die Woche ins Fitnessstudio, betreibt Jiu Jitsu und Inline-Skating. Darin ist er seit 2007 gleich mehrfacher Deutscher Meister in seiner Klasse auf verschiedenen Distanzen.
Jörg von de Fenn erblindete im Alter von 21 Jahren nach einer Sehnerv-Entzündung innerhalb von wenigen Tagen. Er lernte die Blindenschrift, den Umgang mit Computer und Medien und den Beruf des Telefonisten. Er hatte die Hoffnung, dass er seine Sehfähigkeit zumindest zum Teil wieder gewinnen könne. Aber als er 26 Jahre alt war, kam nach einer weiteren Untersuchung aus der Uniklinik Tübingen der endgültige Befund eines Gendefektes: "Da habe ich mir abgewöhnt, mir größere Gedanken über meine Krankheit zu machen", sagt Jörg von de Fenn.
Bei von de Fenn, als Krefelder ein geborener Flachländer, ging es mit dem Bergsteigen erst los, als ihm klar war, dass er nie mehr etwas sehen würde. Zum Wandern kam er durch eine wanderfreudige Frau, die er dann auch heiratete. "Viele Leute trauen einem Blinden nichts zu. Ich zeige, dass es auch anders geht", sagt er.
Für von de Fenn ist die Konzentration, die von ihm gefordert wird, eine Herausforderung, die er gerne und souverän annimmt. Die Bergführer, mit denen er seine Höhen bezwingt, sind voller Bewunderung. Bisweilen klettert er schneller, als sie ihm die Tritte und Griffe ansagen können. "Der Blinde kann alles, wenn er die richtige Assistenz hat", sagt Jörg von de Fenn. Und: "Ich kann nicht zu Hause auf dem Sofa sitzen und nichts tun, nur weil ich blind bin."
Dies war auch der Grund, warum er nach Berlin gezogen ist. Dort gibt es eine Bezirksgruppe für Blinde, da kann er einen Blindenstammtisch besuchen, der mit dem Bus erreichbar ist. Dort ist es auch leichter, einen Assistenten aufzutreiben, wenn er Inline-Skating trainieren will. "Aber auch die Ruhe in den Bergen gefällt mir", sagt von de Fenn. Der Blinde empfindet das Wetter anders als ein Sehender: wie die Luft sich bewegt, wie die Sonne scheint und wo sie steht. "
Auch ein Berg riecht, die Felsen, die Erde zwischen den Felsen." Er spüre den Gipfel, weil er spüre, dass drum herum nichts mehr ist. Und man glaubt ihm, wenn er sagt: "Wenn ich den Gipfel spüre, brauche ich kein Panorama."
Lutz Taubert
Aktuelle Tour
Momentan ist Jörg von de Fenn in der Türkei. Von dort "twitterte" er zuletzt: "Gipfelerfolg am Ararat 5165 m! Am 9.8.2011 um 7:30 Uhr Ortszeit erreiche ich mit meinen Begleitern den höchsten Gipfel der Türkei. Gruß Jörg"
Der blinde Sportler Jörg von de Fenn sucht Trainingspartner zum Skaten
Als sich Jörg von de Fenn (41) vor zwei Jahren einen Lebenstraum erfüllte und den 5598 Meter hohen Kilimandscharo bestieg, hing sein Leben die meiste Zeit an einem dünnen Seil.
Nichts Besonderes für einen Bergsteiger, doch bei von de Fenn liegt der Fall ein bisschen anders. Denn der Extremsportler ist blind und das Seil nicht nur zum Klettern da, sondern einzige Verbindung zu seinem vorangehenden sehenden Partner. „Ich bin trainiert und habe eine sehr gute Kondition, aber ohne die Hilfe fremder Augen hätte ich natürlich keine Chance“, sagt von de Fenn, der gerade aus dem Allgäu nach Berlin gezogen ist.
Auch bei seiner zweiten sportlichen Leidenschaft, dem Skaten, kommt deshalb ein Stück Schnur zum Einsatz. Beim Training oder im Wettkampf hält ihn seine Sportpartnerin Marie Eggersglüss (43) an einem zum Ring geknoteten Halteseil in der Spur: „Sonst würde ich mich hier ständig hinlegen“, sagt er, während er an der Seite der Charlottenburgerin seine Runden am Sportforum Hohenschönhausen dreht. Sie warnt ihn auch vor Bodenunebenheiten, Gullys oder Schlaglöchern:„Man muss immer für zwei aufpassen“, sagt sie, „und für den anderen mitdenken.“
Je weniger er sieht, desto größer wird sein Ehrgeiz
Vor 21 Jahren verlor von de Fenn durch eine Sehnerventzündung sein Augenlicht. Doch je weniger er sah, desto größer wurde sein Ehrgeiz: „Zu zeigen, dass auch ein Blinder auf Berge steigen oder beim Marathon mithalten kann, ist schon ein wichtiger Antrieb für meine Aktivitäten“, sagt er. Doch schaffen kann er das nur mit den Augen von ehrenamtlichen Helfern. Deshalb sucht er jetzt weitere Trainingspartner, die mit ihm joggen und skaten.
Wer Interesse hat, meldet sich per Mail unter
joerg@von-de-fenn.eu oder 0176 123 00 789.
BJÖRN TRAUTWEIN
Foto:
Beim Training auf der Rundbahn hält Jörg von de Fenn mit einem Seilring Kontakt zu seiner Begleiterin Marie Eggersglüss
PRINT: BZ | 2011
2010
Berlin/Memmingen
Als einziger Blinder hat sich Jörg von de Fenn am „Berlin-Skate-Marathon“, der weltweit größten Inliner-Marathonveranstaltung, beteiligt. Nicht weniger als 7583 Skaterinnen und Skater hatten gemeldet.
Von de Fenn startete für den Skate Club Allgäu, der mit mehreren Teilnehmern vertreten war. Zur Sicherheit und für ein besseres Durchkommen durfte von de Fenn bei diesem Rennen den „Luxus“ genießen, von vier Begleitern umgeben zu sein: Marie Eggersglüss, Ilonka und Werner Kaminski sowie Wolfgang Schubert.
Mit diesem Team ging es bei regennasser Straße und Dauerregen auf die 42,195 Kilometer lange Strecke quer durch Berlin. Trotz des schlechten Wetters, das zu äußerst glatten Fahrbahnen geführt hat, wurde das Ziel schließlich nach 2:49 Stunden erreicht.
Foto:
Jörg von de Fenn (dritter von links) mit seinen Begleitern (von links): Werner Kaminski, Ilonka Kaminski und Marie Eggersglüss
Memmingen | Kerpen | Berlin
Gold für Jörg von de Fenn: Der Memminger hat bei der Deutschen Meisterschaft im Halbmarathon für blinde und sehbehinderte Speedskater in Kerpen den Titel in der Altersklasse 40 und der Schadensklasse B I (vollständig blinde Läufer mit Führung an der Hand) gewonnen.
Sein Begleitläufer war Mike Ohlsen, der stellvertretende Direktor des Deutschen Behindertensportverbandes. Mit einer Zeit von 1:11,40 Stunden siegte von de Fenn, der für den Skate-Club Allgäu aus Marktoberdorf startet.
Auch in Berlin aktiv
Zuvor war von de Fenn beim 30. Berliner Halbmarathon rund um das Brandenburger Tor an den Start gegangen. Unter mehr als 27 000 Teilnehmern war er der einzige blinde Inlineskater. Er wurde von zwei Läufern des Berliner „XSpeed- Teams“ begleitet. Die rund 21 Kilometer lange Strecke meisterte der Memminger in einer Zeit von 1:24,21 Stunden.
Der Berliner Lauf war der Auftakt zum „German Inline Cup“, an dem von de Fenn heuer teilnimmt. Dazu zählen sechs Veranstaltungen, bei denen zweimal eine Halbmarathon- Strecke und viermal die Marathondistanz zu absolvieren ist.
Der nächste Lauf ist der „Mittelrhein- Marathon“ am 29. Mai in Koblenz. Jörg von de Fenn sucht nach wie vor für das Training Inlineskater, die Zeit und Lust haben, mit ihm zu laufen.
(maj)
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Jörg von de Fenn aus Memmingen (links) hat bei der Deutschen Meisterschaft im Halbmarathon für blinde und sehbehinderte Speedskater in seiner Klasse gewonnen. Sein Begleitläufer war Mike Ohlsen, der stellvertretende Direktor des Deutschen Behindertensportverbandes (rechts). | von Jörg von de Fenn
Jörg von de Fenn ist blinder Bergsteiger und stets auf der Suche nach Begleitern für Touren jeder Art. Aktuell für einfache Tagestouren rund um den Großglockner. Die oftmals schwierige Suche unterstützt Bergfreunde.de ab sofort unter anderem mit Einkaufsvorteilen für dessen Begleitperson.
Er war auf dem Elbrus, der Blauspitze, dem Kilimanjaro und vielen weiteren Bergen. Die Einträge im Tourenbuch von Jörg von den Fenn sind respektabel. Bewundernswert werden diese für alle die wissen, dass von den Fenn seit mehreren Jahren blind ist.
„Oft komme ich einfach nicht raus, weil Begleiter fehlen.“
Die größte Herausforderung beginnt für von de Fenn oftmals bereits vor der eigentlichen Tour. Denn die Suche nach dem notwendigen Begleiter gestaltet sich oftmals schwer. Obgleich er potenziellen Tourenpartnern anbietet die anfallenden Kosten zu übernehmen, beispielsweise für deren Unterkunft und Fahrtkosten aufzukommen, finden sich nur schwer Freiwillige. „Oft komme ich einfach nicht raus, weil Begleiter fehlen“ resümiert der Vierzigjährige.
Dabei sind die Anforderungen an eine Begleitperson nicht hoch. Jörg von de Fenn ist im Alltag selbstständig und bezüglich alpiner Unternehmungen bereits erfahren. Ein Tourenpartner läuft im Regelfall neben oder vor dem Späterblindeten her. In einigen Fällen wird mit einer kurzen Reepschnur eine Verbindung hergestellt. „Er muss lediglich sehen, dass ich nicht über einen großen Steinbrocken stürze.“ beschreibt von den Fenn die Aufgabe. Nimmt er sich anspruchsvollere Projekte oder Gipfel vor, engagiert von de Fenn einen Bergführer.
Partner für Tagestouren gesucht: Unkosten werden übernommen
Zum Training für kommende Projekte möchte Jörg von de Fenn Anfang Juli einige Tage im österreichischen Kals verbringen. Dort möchte er einfache Tagestouren rund um den Großglockner unternehmen. Hierfür sucht von de Fenn einen freiwilligen Begleiter. Gerne ist er bereit die anfallenden Kosten für seinen Partner zu übernehmen.
Bergfreunde.de gewährt Rabatte für Tourenpartner von Jörg von de Fenn
Das Team von Bergfreunde.de wurde auf die Leistungen des blinden Bergsteigers aufmerksam. Anerkennend suchte man den Kontakt und nach Möglichkeiten Jörg von de Fenn zu unterstützen. Erster Ansatzpunkt ist nun die Hilfe bei der Suche nach Tourenbegleitern für die Tage am Großglockner.
Hierzu wurde ein Suchaufruf im Weblog der Bergfreunde unter www.bergfreunde.de/basislager veröffentlicht. Zudem gewährt Bergfreunde.de der Begleitung von Jörg von de Fenn für seinen nächsten Einkauf einen Rabatt von 30%. Damit kann sich dieser vergünstigt im umfangreichen Sortiment von Bergfreunde.de bedienen und sich für die Wanderungen mit Jörg gut ausrüsten.
Diese Kooperation soll jedoch nicht die letzte gewesen sein. „Wir suchen aktuell nach weiteren Möglichkeiten mit Jörg langfristig zusammen zu arbeiten und ihn zu unterstützen.“ verrät Sebastian Staendecke, der die Kooperation seitens der Bergfreunde betreut. Es gäbe bereits mehrere Ideen und Interessen auf beiden Seiten.
Aktuelle Informationen zur Zusammenarbeit mit Jörg von den Fenn finden Interessierte jeweils unter www.bergfreunde.de/basislager
ONLINE: ROUTEALPIN.DE — JUN 1, 2010
2009
Ende des Monats will Jörg von de Fenn, der vor 19 Jahren sein Augenlicht verlor, auf Inline-Skates den Marathon in Berlin meistern. Die nötige Kondition holt sich der 40-Jährige bei den Rollnächten in der Landeshauptstadt. Sie soll ihn bald auch auf den Aconcagua (6962 Meter) führen.
Jörg von de Fenn ist einer dieser Menschen, die kaum still sitzen können. Macht es sich der 40-Jährige auf dem heimischen Sofa bequem, um dem Nachrichtensprecher im Fernseher zuzuhören, geht das nicht lange gut. Spätestens nach fünf Minuten wird er unruhig. Ihn zieht es nach draußen an die frische Luft — zum Wandern, zum Klettern, zum Bergsteigen. Doch dazu braucht er Hilfe von Freunden und Bergführern, denn vor 19 Jahren ist von de Fenn erblindet.
Ohne Helfer geht es nicht
Sein neues Hobby ist das Skaten, sein nächstes Ziel der Berlin-Marathon Ende des Monats. Dafür trainiert er in Düsseldorf, kommt zu den Rollnächten der Initiative Dusfor aus Bayern angereist. Gerne mischt sich der blinde Skater unter die mehr als 3000 Sportler, die zu Musik durch die Landeshauptstadt rollen. Als er über das Internet Helfer für die Rollnacht-Tour suchte — bei anderen Anlässen oft ein mühsames Unterfangen —, meldeten sich sofort einige Freiwillige. Ein Begleiter weist Jörg von de Fenn an einer Schlaufe und mit lauten Ansagen den Weg, warnt ihn vor Hindernissen und Straßenbahnschienen.
Innerhalb einer Woche hat der gebürtige Krefelder sein Augenlicht verloren. Damals machte er gerade eine Ausbildung zum Koch. „Plötzlich wurden meine Sehnerven nicht mehr durchblutet“, sagt er. Erst Jahre später diagnostizierten Augenärzte der Uniklinik Tübingen nach einer Blutuntersuchung einen Gendefekt. „Irgendwann habe ich mir abgewöhnt, mir größere Gedanken über meine Krankheit zu machen“, sagt Jörg von de Fenn, der Blindenschrift gelernt hat und sich längst im Alltag zurechtfindet. Manchmal tauchen zwar auch heute noch einzelne Bilder in seinem Kopf auf, er weiß aber auch:
„Es hilft nichts, Vergangenem nachzutrauern.“
Viel lieber plant er die nächsten sportlichen Höhepunkte: den Skate-Marathon auf Rollen und die Besteigung des 6962 Meter hohen Aconcagua in Argentinien im Januar. Dann hätte Jörg von de Fenn innerhalb eines Jahres die höchsten Gipfel von drei Kontinenten erklommen.
Sie sind wie die anderen Namen und exakten Höhen der gemeisterten Berge in seinem Kopf gespeichert: „Im Juni war ich auf dem Elbrus, 5642 Meter, im Februar auf dem Kilimandscharo, 5895 Meter“, erzählt der Bergsteiger.
Die Kraft für den Aconcagua-Aufstieg („wenn ich den Gipfel spüre, brauche ich kein Panorama“) holt er sich auch in Düsseldorf. „Das Skaten ist ein gutes Training, außerdem gibt es hier nette Helfer“, sagt Jörg von de Fenn, der zurzeit auf Arbeitssuche ist und gerne ins Rheinland zurückkäme. Das nächste Mal reist er am 10. September an, wenn sich der Skater-Tross zur letzten Rollnacht des Jahres versammelt.
VON STEFAN KAUFMANN
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Aus Bayern reist Jörg von de Fenn (links) zu den Düsseldorfer Rollnächten an. Da der Skater blind ist, braucht er eine Begleitung, die ihn an einer Schlaufe und mit Ansagen durch die Stadt lenkt. | von THOMAS BUSSKAMP - RP
Bergführer Michael Amraser unternahm mit seinem Gast Jörg von de Fenn eine einzigartige Klettertour auf die Blauspitze.
Erwähnenswert ist diese Klettertour deshalb, weil der ihm anvertraute Gast eine körperliche Behinderung aufweist, die für eine derartige Unternehmung ein großes Handicap darstellt. Er ist an Blindheit erkrankt und deshalb ist es für ihn ein Erlebnis gewesen, das ohne die Hilfe eines Kalser Berg- und Schiführers nicht möglich gewesen wäre.
Der unter der Obhut des Bergführers geführte Gast konnte trotz seiner Krankheit das Erlebnis Berg eindrucksvoll miterleben und für sich persönlich ein weiteres Kapitel in seiner bergsteigerischen Entwicklung abhaken.
Trotz seiner Blindheit hat vor Jahren schon ein Kalser Bergführer es geschafft, ihm das größte Glück, den Gipfel des Großglockners, zu ermöglichen.
Die Erfahrungen und Erlebnisse im Glocknerdorf Kals, die bergstei- gerischen Leistungen am Großglockner sowie am Blaupitzgrat zählen für ihn beinahe mehr als seine Leistungen bei der Besteigung am Kilimandscharo oder am Elbrus. Die persönlichen Begegnungen und Beziehungen mit den Kalser Bergführern sind für ihn einzigartig!
Weitere Zukunftspläne sind schon vorgemerkt. Mit dem berühmten blinden Bergsteiger Holzer Andy möchte er im Winter 2010 in die Antarktis fl iegen und dort den Mount Vinson besteigen.
Wir Kalser Bergführer wünschen ihm für seine weiteren bergsteigerischen Aktivitäten viel Erfolg und alles Gute!
Michael Amraser
ONLINE: bergfuehrer-kals.at | 26.09.2009
Jörg von de Fenn (40) ist blind — und Leistungssportler. Zuletzt bezwang er den 5642 Meter hohen Berg Elbrus im Kaukasus.
Herr von de Fenn, nachdem sie Ende Februar den Kilimandscharo, den höchsten Berg Afrikas, bezwungen hatten, waren Sie nun mit Begleitern auf dem Gipfel des Elbrus in Russland.
Was war jetzt anders für Sie als im Februar?
Jörg von de Fenn: Der Elbrus ist zwar rund 250 Meter niedriger als der Kilimandscharo. Aber es war nun wesentlich anstrengender für mich. Denn ab 3800 Metern hatten wir nur noch Schnee und Gletscher.
An was werden Sie sich noch lange erinnern?
Jörg von de Fenn: Der Aufstieg im Schnee war für mich besonders schwierig. Denn als Blinder konnte ich ja nicht exakt in die Fußstapfen meiner Vorderleute treten. Aber es ist alles gutgegangen. Viel schlimmer waren für mich dagegen die beiden Flüge. Da hatte ich mehr Angst als am Berg. Wir gerieten in Turbulenzen, außerdem hörten sich die Maschinen für mich nicht besonders Vertrauen erweckend an.
Stehen denn schon neue Projekte an?
Jörg von de Fenn: Der nächste Gipfel ist schon in Planung. Und zwar möchte ich im Dezember mit zwei Begleitern den rund 6960 Meter hohen Aconcagua im Grenzgebiet zwischen Chile und Argentinien bezwingen. Ich will das im Rahmen des unter Bergsteigern bekannten Projekts „Seven Summits“ schaffen (siehe auch Infokasten, Anm. d. Red.).
Werden Sie sich auch weiterhin für die christliche Christoffel-Blindenmission engagieren?
Jörg von de Fenn: Ja, ich will diese Organisation weiterhin unterstützen. Aber ich bin nicht in ihrem Auftrag unterwegs.
Mit ihren außergewöhnlichen Leistungen haben Sie mittlerweile in ganz Deutschland für Wirbel in den Medien gesorgt. Genießen Sie das?
Jörg von de Fenn: Um ehrlich zu sein: Ich suche den ganzen Trubel nicht. Mir ist das auch gar nicht so recht. Mir geht es um ganz andere Dinge: Ich will die Gipfel erreichen. Und vor allem reizen mich die Abenteuer, die ich zusammen mit anderen erleben kann. Ich habe mich jahrelang darum bemüht, das alles machen zu können.
Seven Summits
Zu den Seven Summits (englisch für: sieben Gipfel) gehört der jeweils höchste Berg der sieben Kontinente (inklusive der arktischen Bereiche). Allerdings ist die Frage für Europa schwierig zu klären, weil der Kaukasus (mit dem Elbrus) von manchen zu Europa, von anderen zu Asien gerechnet wird.
Am 5. August 1986 hatte es der Kanadier Patrick Morrow als erster Mensch geschafft, alle sieben Gipfel zu besteigen. Er sah die Carstensz-Pyramide als höchste Erhebung des neu definierten Kontinents Australien-Ozeanien an. Reinhold Messner war im selben Jahr, allerdings vier Monate später, der Zweite.
Christian Stangl vollendete 2007 seine Besteigung aller sieben Gipfel in der Weltrekordzeit von 58 Stunden und 45 Minuten, wobei er auch auf den meisten Einzelgipfeln einen Weltrekord aufstellte.
Mittlerweile behauptet so mancher Fachmann, dass der technische Aufwand für eine Besteigung der zweithöchsten Berge auf allen sieben Kontinenten weitaus größer sei als bei den höchsten.
(maj)
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Der blinde Bergsteiger Jörg von de Fenn aus Amendingen hat mit Begleitern den Gipfel des 5642 Meter hohen Berges Elbrus im Kaukasus (Russland) erreicht.
Memmingen.
Jörg von de Fenn hat das Augenhospital in Kikuyu in Kenia noch nicht besucht, die Kinder, die dort versorgt werden, nicht gesehen. Er wird sie niemals sehen, denn Jörg von de Fenn aus Memmingen ist blind. Aber er will sie hören. Er möchte sich mit ihnen unterhalten, über ihre Sorgen und Nöte reden, über ihre Späße lachen.
Die Zeit dafür wird er sich nach seinem Gipfelsturm in Zusammenarbeit mit der Christoffel-Blindenmission (CBM) nehmen, wenn er den Aufstieg auf den 5642 Meter hohen Elbrus im russischen Kaukasus erfolgreich hinter sich gebracht hat.
Nach dem Erklimmen des Kilimandscharo im Februar (wir berichteten) ist der Allgäuer in diesen Tagen wieder unterwegs. Dieses Mal macht er sich mit besonderen Gefühlen auf den Weg. Er schlüpft in die Rolle eines Botschafters, der Menschen mit Behinderung sagen will: „Auch ein Blinder kann alles machen, wenn er die richtige Assistenz hat.“ Was so viel bedeutet wie: Auf den Willen kommt es an, an sich und seine Fähigkeiten zu glauben.
Als der Memminger unlängst Langstreckenläufer Henry Wanyoike (35) getroffen hat, ebenfalls Botschafter von CBM, einer christlich orientierten Organisation, spürten beide sofort, dass sie auf gleicher Wellenlänge liegen.
Auch der Kenianer Wanyoike erblindete von einem auf den anderen Tag. Wanyoike nahm ein Schlaganfall das Augenlicht, in der Nacht auf den 1. Mai 1995. Bei von de Fenn war eine Entzündung der Sehnerven schuld, dass er seit 18 Jahren nicht mehr sehen kann. Doch sie haben sich den Lebensmut nicht nehmen lassen. Wanyoike ist Läufer, und seine Bestmarken beweisen, dass er zur Weltspitze behinderter Sportler gehört: 15:11:07 Minuten über 5000 Meter, Halbmarathon in 1:10:26 Stunden, Marathon in 2:31:31 Stunden.
Von de Fenn sorgt bundesweit für Aufsehen, weil er als Blinder wie selbstverständlich auf höchste Berge steigt. Immer mehr Medien bitten um Interviews. Dieses öffentliche Interesse will von de Fenn nutzen und für eine Einrichtung wie die Christoffel-Blindenmission werben. „Programme für Sehbehinderte wie jenes in Kenia finde ich enorm wichtig. Dort wird vor Ort intensiv geholfen“, ist sich von de Fenn sicher, weshalb er nach seiner Kilimandscharo- Tour den CBM-Verantwortlichen seine Hilfe anbot.
Die Reaktion: Begeisterung. Denn die Blindenmission ist auf Hilfe von Botschaftern angewiesen, die dafür sorgen, dass Spendengelder fließen.
Von de Fenn weiß, dass er sich diesmal keinen Durchhänger erlauben darf. „Ich habe eine Mission“, sagt er. „Da ist der Ehrgeiz noch größer, dass man es bis zum Gipfel schafft.“
Am Samstag startet die Gruppe von acht Bergsteigern, von denen einer stets per Seil mit von de Fenn verbunden sein wird, von der Unterkunft am Garbaschi aus. Eine Woche dauert die Tour, auf der von de Fenn und Co. auf Eis und Schnee treffen werden. Eine Woche, in der er mit seinen Gedanken für einen Moment auch bei den Kindern im kenianischen Kikuyu sein dürfte. Selbst wenn er sie nie sehen wird.
Christoffel-Blindenmission
Wirkungsfeld
Die Christoffel-Blindenmission (CBM) mit Sitz in Bensheim hilft auf Basis christlicher Werte derzeit in über 100 Ländern und fördert Hilfsprojekte.
Botschafter
Prominente wie der ehemalige Fußballer Pelé, Dressurreiterin Isabell Werth oder Schauspieler Hannes Jaenicke sind Botschafter.
Vision
In Entwicklungsländern soll der Kreislauf von Armut und Behinderung durchbrochen werden. (schi)
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"Blinder Gipfelstürmer: Jörg von de Fenn aus Memmingen"
Jörg von der Fenn in einer Steilwand | von Katrin Lederer
BENSHEIM/POTSDAM.
Wenn der Wahl-Memminger Jörg von de Fenn (39) von seiner Leidenschaft, dem Bergsteigen, berichtet, stockt den meisten Zuhörern erst einmal der Atem. Denn der begeisterte Sportler ist seit seinem 21. Lebensjahr blind.
Den Kilimandscharo und den Großglockner hat er schon bezwungen — nun macht er sich zum Elbrus (5642 Meter) auf. Vom 19. bis 26. Juni wird er mit einem Team die Besteigung des höchsten Bergs des europäischen Kontinents in Angriff nehmen. Diesmal steht nicht nur der sportliche Erfolg auf seinem Plan. Seit Jörg von de Fenn den schnellsten blinden Langstreckenläufer der Welt und CBM-Botschafter, Henry Wanyoike, kennengelernt hat, bewegt ihn eine weitere Mission: Auf die Lebensumstände von blinden Menschen in Entwicklungsländern aufmerksam machen und um konkrete Unterstützung werben.
Zum Beispiel für das CBM-geförderte Sehbehindertenprogramm in Kikuyu/Kenia, das auch dem Läufer Wanyoike seinen Lebensmut und das Rüstzeug mitgab, das ihn zu seinen sportlichen Höchstleistungen befähigt. Von de Fenns Lebensmotto „Der Blinde kann alles, wenn er die richtige Assistenz hat“ passt genau zu den inklusiven Strategien der Christoffel-Blindenmission, die ein gemeinsames Leben und Lernen von behinderten und nicht-behinderten Menschen fördern wollen.
Das Programm für Sehbehinderte am Kikuyu-Augenhospital wurde 1994 ins Leben gerufen. „Low-Vision-Dienste“ umfassen die medizinische, pädagogische und rehabilitative Versorgung sehbehinderter Menschen. In der Low-Vision-Klinik in Kikuyu werden vor allem Kinder untersucht und mit Hilfsmitteln versorgt, es werden Therapien für sie erarbeitet und Eltern beraten.
In 14 ambulanten Low-Vision-Stationen werden ebenso Menschen regelmäßig untersucht und betreut.
Im Jahr 2007 waren in der Klinik und in den Außenstationen über 13000 Patienten, die die Dienste des Projekts beanspruchten.
Die CBM unterstützt weltweit fast 1000 Projekte in 105 Ländern. Das Hauptziel der internationalen, christlichen Entwicklungsorganisation ist es, die Lebensqualität der ärmsten Menschen dieser Welt zu verbessern, die behindert sind oder in der Gefahr stehen, behindert zu werden. Im Jahr 2008 wurde sie 100 Jahre alt. Zwölf CBM-Regionalbüros weltweit assistieren den derzeit 759 Partnerorganisationen bei der Bereitstellung ihrer Dienste für Menschen mit Behinderungen.
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Henry Wanyoike und Jörg von de Fenn
Am 23. Juni 2009 um 12:44 Uhr Ortszeit stand Jörg von de Fenn mit seiner einheimischen Begleiterin Oxana und dem Bergführer Igor auf dem Gipfel des Elbrus (Kaukasus), dem mit 5642 Metern über Meer höchsten Punkt Europas. Der vollblinde Stammgast des Saaner Hotels Solsana erbrachte eine Höchstleistung und er denkt auch schon an seinen nächsten Aufenthalt im Saanenland, wie der Wegweiser beweist …
September 2009 – Dass Jörg von de Fenn Ende Juni mit allen anderen Teilnehmern einer Diamir-Expedition auf dem Westgipfel des 5642 Meter hohen Elbrus stand, wäre an sich nichts Besonderes: Jedes Jahr sind weit über 50 Bergsteiger mit dem Dresdner Reiseveranstalter an dem begehrten Ziel im Kaukasus erfolgreich. Doch Jörg von de Fenn hat mit einem besonderen Handicap zu kämpfen:
Er ist blind.
Umso höher ist seine Leistung und die seiner einheimischen Bergführerin Oksana einzuschätzen – schließlich galten für ihre Seilschaft ganz besondere Voraussetzungen. Jörg von de Fenn berichtet: „Orientiert habe ich mich stets an Oksana, mit der ich über ein kurzes Seil verbunden war. Bei schmaleren Wegen bin ich direkt hinter ihr gelaufen und habe mich an ihrem Rucksack festgehalten.“ Starker Wind und Temperaturen von minus 20 Grad erschwerten den Aufstieg, und manchmal ließ sich trotz aller Vorsicht ein Sturz nicht vermeiden.
Überdies kannte der Memminger, der auch schon den Kilimanjaro (5895 m) erklommen hat, seine Begleiterin vor der Reise nicht. „Das war natürlich ein Wagnis, weil man vorher nicht weiß, was einen erwartet.“ Aber die beiden wurden rasch ein gutes Team. „Oksana hat sich viel Mühe gegeben und hatte ein gutes Gespür dafür, wie wir zusammen klarkommen können. Wir haben uns viel unterhalten. Bei jeder Tour wurde das Zusammenspiel besser, bis zum Gipfeltag, den wir dann hervorragend zusammen gemeistert haben“, sagt von de Fenn.
Bestärkt durch den Erfolg im Diamir-Team geht er nun seine nächsten Gipfelziele an, für die er noch Mitstreiter sucht.
Im September möchte er den Großvenediger besteigen, und Ende des Jahres plant von de Fenn eine Tour zum Aconcagua. Gipfelstürmer finden den mit 6.959 Metern höchsten Berg Amerikas übrigens ebenso im Expeditionsprogramm wie andere faszinierende Gipfel mit klangvollen Namen: Muztagh Ata (7546 m), Ararat (5156 m), Chimborazo (6310 m), Stok Kangri (6121 m)...
Der 39-jährige war am 26. Februar 2009 um 5.50 Uhr an seinem großen Ziel angekommen: Er stand auf dem Gipfel des Kilimandscharo in Tansania, dem Uhuru-Peak in 5.895 Metern.Nachdem der erste Versuch aus gesundheitlichen Gründen abgesagt wurde und der zweite Versuch aufgrund von ergiebigen Regenfällen abgebrochen werden musste, war der dritte Anlauf endlich erfolgreich.
Zusammen mit Jörg von de Fenn freute sich sein Begleiter und Freund Dietmar Hail (37) bei starkem Wind und -7°C auf dem Gipfel. “Ich hoffe, vielen Menschen Mut zu machen”, kommentierte von de Fenn seine Leistung.
Jörg von de Fenn hat sich einen Traum erfüllt. Der Bergsteiger aus Memmingen hat vor wenigen Tagen den Gipfel des Kilimandscharo bezwungen. Das wunderbare Panorama, das sich ihm auf 5895 Meter Höhe bot, blieb dem 39-Jährigen allerdings verwehrt.
Er ist seit 18 Jahren blind. „Ich freue mich riesig, dass es geklappt hat. Auch wenn ich den Berg Tage später noch in den Waden gespürt habe“, erzählt er über die Anstrengungen an Afrikas höchstem Berg. Er war zusammen mit vier Bergsteigern aus Bayern und Thüringen sowie 26 einheimischen Begleitern unterwegs. Ganz oben erwartete die Gruppe starker Wind und Temperaturen um minus sieben Grad. „Es ist trotzdem ein tolles Gefühl, dort zu stehen und mit den anderen um die Wette zu jubeln.“
Von de Fenn, der als 21-Jähriger nach einer Sehnerv-Entzündung erblindete, ist leidenschaftlicher Bergsteiger. „Die Ruhe in den Bergen gefällt mir.“ Neben vielen Wanderungen in Osttirol und im Allgäu, bei denen ihn manchmal auch seine Frau begleitete, hat der gebürtige Rheinländer auch schon einige größere Unternehmungen am Berg hinter sich. So stand er bereits auf dem Gipfel des Großglockners (3798 Meter) und meisterte einen Klettersteig am Hohen Dachstein (3004 Meter). „Ich würde gerne häufiger größere Sachen machen. Aber es ist schwierig, jemanden zu finden, der mich dabei begleitet.“ Eine Begleitperson ist für den Blinden jedoch unerlässlich. Obwohl er konditionell fit ist und sich trittsicher fühlt, braucht er jemanden, der ihm den Weg weist.
„Wir sind ein eingespieltes Team“
Am Kilimandscharo in Tansania hatte der Memminger Dietmar Hail diese Aufgabe übernommen. Die beiden sind seit vielen Jahren befreundet und waren schon häufig zusammen in den Bergen unterwegs. „Wir sind ein eingespieltes Team“, sagt von de Fenn. Hail sei stets knapp einen Meter voraus gegangen und habe ihm mit kurzen Anweisungen wie „Auf 1 Uhr ist ein Griff“ oder „Setze Deinen Fuß auf 7 Uhr“ geholfen.
Zur Orientierung hielt sich von de Fenn an einer Schlaufe am Rucksack seines Begleiters fest. Aufstiegshilfe, die ihm einheimische Bergführer anboten, lehnte er ab. „Die haben sich rechts und links bei mir eingehakt und wollten mir so nach oben helfen. Aber ich brauche die Bewegungsfreiheit beim Gehen.“
In sechs Tagesetappen bewältigte die Gruppe den schneebedeckten Kilimandscharo, bevor es für die Teilnehmer am Ziel die ersehnte Gipfel-Urkunde gab. Für den Aufstieg wählten sie die Machame-Route. Am anstrengendsten war laut van de Fenn der Gipfeltag, an dem die Bergsteiger ab Mitternacht 15 Stunden unterwegs waren. „Wenn man nicht sieht, wohin man tritt, ist bergab gehen weitaus schwieriger als bergauf. Das Vulkangestein ist nämlich ziemlich rutschig.“
Berge sollen keine unüberwindbare Hürde sein
„Eine tolle Leistung“, sagt Thomas Bucher vom Deutschen Alpenverein in München zum Erfolg des Memmingers an Afrikas höchstem Berg. Bucher ist froh darüber, dass Berge für Blinde keine unüberwindbaren Hürden darstellen. „Es gibt inzwischen alpinistische Leistungen, die unglaublich sind.“ So gelang es etwa einer Seilschaft von zwei Blinden, eine extreme Klettertour in den Dolomiten zu bewältigen.
Auch von de Fenn hat noch hohe Ziele. Für das nächste hat er bereits einen Termin im Auge, seinen 40. Geburtstag im Juni. Den will er auf dem Montblanc feiern. Ob er sich nach Europas höchstem Berg (4808 Meter) die Seven Summits, die höchsten Gipfel der sieben Kontinente, zum Ziel steckt, lässt von de Fenn noch offen. Sicher ist jedoch, dass er sich weiterhin viel draußen bewegen will - ob beim Bergsteigen, Klettern, Inlineskaten oder Tandemfahren. „Sport ist mir wichtig. Ich kann nicht zu Hause auf dem Sofa sitzen und nichts tun, nur weil ich blind bin. Ich bin jemand, der raus muss.“
Birgit Klimke, dpa
Jörg von de Fenn (39) aus Memmingen stand am 26. Februar um 5:50 Uhr morgens auf dem Gipfel des 5895 m hohen Kilimanjaro, dem höchsten Berg des afrikanischen Kontinents. Das ist erst einmal nichts Besonderes. Was diese Leistung aber wirklich berichtenswert macht: Jörg von de Fenn ist blind und somit höchstwahrscheinlich der erste deutsche Blinde, der auf dem Gipfel des „Kili“ stand.
Der passionierte Bergsteiger war schon auf zahlreichen Gipfeln der Alpen, unter anderem auf dem Großglockner. Die SportPresse gratuliert ganz herzlich zu dieser tollen Leistung! Von de Fenn ist immer auf der Suche nach Trainings- und Bergpartnern (idealerweise im Allgäuer Raum) für Sportarten wie Inline Skating, Tandemradeln und natürlich zum Wandern und Bergsteigen.
5895 Meter wächst der Kilimandscharo in Tansanias Himmel und bietet auf dem Gipfel ein einzigartiges Panorama. Den höchsten Berg Afrikas zu besteigen, ist wegen der sauerstoffarmen Höhenluft schon eine große Leistung. Jörg von de Fenn aus Memmingen aber hat den Gipfel bei starkem Wind und Temperaturen um minus sieben Grad bezwungen — obwohl er seit 18 Jahren blind ist.
Der 39-Jährige erhielt dazu Orientierungsanweisungen von seinem Begleiter und Freund Dietmar Hail. Zwar blieb von de Fenn der Ausblick verwehrt, aber er genoss trotzdem das „tolle Gefühl, dort oben zu stehen und mit den anderen um die Wette zu jubeln“.
Beide haben damit bewiesen, dass auch hohe Gipfel für Blinde nicht unüberwindbar sind und dass Freundschaft Berge vielleicht nicht versetzen, aber bezwingen kann
Dar Es Salaam/Memmingen
Es war am frühen Morgen, kurz vor Sonnenaufgang, als die kleine Gruppe den 5895 Meter hohen Gipfel des Kilimandscharo erreichte. Erschöpft lagen sie sich in den Armen und genossen für ein paar Minuten das herrliche Panorama, das sich vor ihren Füßen ausbreitete. Einem aus der Gruppe blieb dieser Anblick verwehrt — dennoch kullerten dem blinden Bergsteiger Jörg von de Fenn (39) aus Memmingen in diesem Moment Tränen über die Wangen. Endlich hatte er sein großes Ziel erreicht. Er stand als wohl erster deutscher Blinder auf dem höchsten Berg Afrikas.
„Meine Erleichterung war riesengroß. Es wurde Zeit, dass es endlich klappt. Ich hoffe, anderen Menschen Mut zu machen“, beschreibt der vor 18 Jahren erblindete Jörg von de Fenn das Gipfelglück, das er nach zwei vorzeitigen Expeditionsabbrüchen in diesem Moment verspürte. Allzu lange konnte er es freilich nicht genießen. „Es war unglaublich kalt da oben. Minus sieben Grad und der Wind peitschte einem so hart ins Gesicht, dass es weh tat“, sagt der zähe Bergsteiger, der sich von seinem Freund Dietmar Hail (37) führen ließ.
Die meiste Zeit hielt er sich an einer Schlaufe am Rucksack des Memmingers fest. An Steilstücken tastete sich der blinde Bergsteiger sogar im Alleingang nach oben. „Angst hatte ich keine. Im heimischen Wohnzimmer ist mir schon Schlimmeres passiert als auf unserer sechstägigen Tour“, sagt Jörg von de Fenn, der zuhause im Allgäu gelegentlich schon gegen eine geschlossene Tür gekracht ist und freimütig davon erzählt. Neben seinem Humor beeindruckte er auf der Abenteuerreise mit eisernem Willen: „Was Jörg geleistet hat, ist unvorstellbar. Das hat jeden beeindruckt“, berichtet Begleiter Hail.
Nordic Walking zahlt sich aus
Die beiden Allgäuer gehörten zu einer fünfköpfigen deutschen Gruppe, die mit 20 einheimischen Begleitern auf den schneebedeckten Riesen aufgebrochen war. „Ich konnte mit den anderen mithalten“, freut sich von de Fenn, der sich mit Nordic Walking auf den Trip vorbereitet hatte. Beim letzten Anstieg, der um Mitternacht gestartet wurde, habe er sogar einen Vorteil gehabt: „Ich bin es ja gewohnt, in der Dunkelheit zu laufen“, sagt von de Fenn und lacht kräftig. Er ist eben ein harter Bursche. Einer, der es bis nach ganz oben geschafft hat.
TOBIAS SCHUHWERK
Jörg von de Fenn (39) erblindete mit 21 Jahren während seiner Kochlehre. Ursache war eine erblich bedingte Sehnerventzündung.
Er lebt mit Ehefrau Gerlinde (41) in Memmingen-Amendingen.
Trotz Blindheit betreibt Jörg von de Fenn zum Beispiel Jiu-Jitsu, Tauchen, Inlineskaten oder Bergsteigen. Sein Lebensmotto: „Der Blinde kann alles, wenn er die richtige Assistenz hat.“
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Seit jeher zieht der Kilimandscharo (Tansania) die Menschen an | von dpa
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Der Blinde Jörg von de Fenn (mitte) hat mit Begleiter mit Dietmar Hail (links) den Kilimandscharo bestiegen. | von privat
Für ihn hat sich ein Traum erfüllt: Jörg von de Fenn aus Memmingen hat den Gipfel des Kilimandscharo bezwungen. Das Panorama, das sich den Menschen auf 5895 Metern Höhe bietet, blieb dem 39-Jährigen allerdings verwehrt. Er ist seit 18 Jahren blind.
Nun ist seine Freude über seinen Erfolg ungetrübt. „Es ist ein tolles Gefühl, dort zu stehen und mit den anderen um die Wette zu jubeln.“ Der Memminger, der mit 21 Jahren nach einer Sehnerv-Entzündung erblindete, ist leidenschaftlicher Bergsteiger. Vor allem die Ruhe in den Bergen liebt der 39-Jährige. Seine Blindheit spielt für ihn keine Rolle. Einzig für die Bergtouren braucht er einen Begleiter, der ihm den Weg weist. Von de Fenn hat noch viel vor:
An seinem 40. Geburtstag im Juni will er den Montblanc erklimmen. „Sport ist mir wichtig, ich kann nicht zu Hause auf dem Sofa sitzen und nichts tun, nur weil ich blind bin.“
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Jörg von de Fenn | von dpa
2008
Jörg von de Fenn ist ein Mann der leisen, aber klaren Worte. Er bringt die Dinge auf den Punkt — und zwar mit Humor und einem Schuss Selbstironie. Der 39-Jährige ist begeisterter Bergsteiger — und er ist blind. Im Alter von 21 Jahren hat er innerhalb von nur knapp zwei Wochen sein Augenlicht verloren, da seine Sehnerven sich entzündeten und nicht mehr durchblutet wurden.
«Die ersten Jahre danach waren schwierig», erzählt der gebürtige Krefelder auf der Couch im Kolbe-Haus. Er musste umschulen, die Punktschrift sowie den Umgang mit einer Spezialschreibmaschine lernen. «Die hätte ich manchmal am liebsten aus dem Fenster geschmissen.»
Doch das ist lange her. Heute treibt von de Fenn begeistert Sport. Allerdings braucht er für seine Leidenschaft stets jemanden, der ihn begleitet. Und es sei zum Beispiel gar nicht so leicht, einen Bergführer zu finden, der sich das zutraue. «Obwohl der eigentlich nur gucken und laufen muss, den Rest mach ich ja allein», sagt von de Fenn mit einem Lächeln und erntet Applaus. Oft sei es so, dass er bei einer Wandergruppe anrufe und frage, ob noch ein Platz bei einer Tour frei sei.
«Ja, klar», bekomme er dann zur Antwort. Aber wenn er dann sage, dass er blind sei, heiße es: «Das geht nicht. Da geht es bergauf und bergab. Das ist nichts für sie.» Dagegen hatte er für eine Tour auf den Kilimandscharo bereits einen Begleiter gefunden. Doch als es im Herbst dann losgehen sollte, ist dieser erkrankt. Nun will der 39-Jährige im Januar den höchsten Berg Afrikas in Angriff nehmen.
Bezwungen hat der verheiratete Amendinger übrigens bereits den rund 3800 Meter hohen Großglockner sowie den Dachstein.
Gold beim Speedskating
Erfolgreich war er auch bei der deutschen Meisterschaft im Marathon-Speedskating für Blinde und Sehbehinderte — er holte Gold. «Da hatte ich mich angemeldet, weil mir langweilig war», erinnert sich von de Fenn schmunzelnd.
Etwas ernster wird er, als es um die Frage geht, wie er als Blinder Menschen einschätzt, die er neu kennenlernt.
«Das merkt man an der Stimme — auch am Telefon.»
Dagegen habe er sich als Sehender manchmal noch von einem Lächeln täuschen lassen:
«Das passiert mir jetzt nicht mehr.»
Volker Geyer
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Der blinde Bergsteiger Jörg von de Fenn beeindruckte die Zuhörer mit klaren Worten und einer guten Portion Humor.
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Im voll besetzten Maximilian-Kolbe-Haus gab es viel Applaus für die Gäste beim MZ-Jahresrückblick
PRINT: Memminger Zeitung | 2008
Memmingen
Die Kinder der Klasse 6c der Lindenschule kramen ihre Notizblöcke und Stifte raus. Jeder hat einen Zettel vor sich liegen, auf dem nur Punkte zu sehen sind, die sich leicht vom Papier abheben — Blindenschrift. Die Schüler versuchen, die Punkte zu entziffern. Als Hilfe benutzen sie ein Blatt Papier, auf dem eine Übersetzung der Blindenschrift-Buchstaben steht. Einige der Elf-, Zwölf- und Dreizehnjährigen ertasten die einzelnen Buchstaben, andere vergleichen die Anordnung der Punkte mit den Augen.
Hintergrund der Aktion ist ein Besuch des blinden Sportlers Jörg von de Fenn aus Amendingen. Er zeigt den Kindern die Punktschrift anhand verschiedener Beispiele. So hat er eine Medikamentenpackung dabei, die auch für Blinde beschriftet ist. Außerdem lässt er eine CD der Gruppe Scorpions rumgehen, auf der ihm ein Aufkleber in Blindenschrift den Titel der Scheibe verrät.
Die eigene Frau noch nie gesehen
Von de Fenn stellt sich aber auch den zahlreichen Fragen der Schüler. «Gehen Sie alleine einkaufen?», will einer von ihnen wissen. «Nur selten, sonst räume ich den ganzen Laden auf», antwortet der 39-jährige scherzhaft. Lieber gehe er zusammen mit seiner Frau einkaufen. «Haben Sie Ihre Frau denn schon mal gesehen?», will ein anderer wissen.
«Nein», lautet die Antwort. Von de Fenn hat sie erst kennengelernt, als seine Sehnerven bereits nicht mehr durchblutet wurden. Damals war er 21 Jahre alt. «Wie sind Sie denn darauf gekommen zu heiraten, wenn Sie sie noch nie gesehen haben?», hakt ein anderer Schüler nach. «Man muss jemanden dafür nicht sehen», erwidert von de Fenn. «Das wichtigste an einem Menschen sieht man sowieso mit dem Herzen», ergänzt Klassenlehrer Michael Vogt.
Dann zeigt von de Fenn der Klasse seine Uhr, die er öffnen kann, um die Position der Zeiger zu ertasten. «Cool», raunt es durch die Reihen der jungen Zuschauer. Lustig finden sie seinen Wecker, bei dem ihm eine Frauenstimme die Uhrzeit ansagt. «Die brüllt mich jeden Morgen an», scherzt von de Fenn.
Im Anschluss an die Fragestunde schlägt die elf Jahre alte Verena ein Spiel vor: Einem Kind sollen die Augen verbunden werden, und seine Klassenkameraden führen es, wie einen blinden Menschen. Gesagt, getan. Die Idee wird im Pausenhof in die Tat umgesetzt.
Verena führt von de Fenn die Treppen hinunter. Das läuft routiniert ab, denn die beiden kennen sich bereits. So war die Schulaktion auch die Idee der Elfjährigen. Ihr Vater Theo Frommlet ist von de Fenns Trainingspartner. Er begleitete ihn auch, als von de Fenn die deutsche Meisterschaft im Marathon-Speedskating für Blinde und Sehbehinderte gewann (wir berichteten).
«Unsere Köpfe 2008» Jörg von de Fenn ist Gast beim MZ-Jahresrückblick am Mittwoch, 3. Dezember, 20 Uhr, im Maximilian-Kolbe-Haus. Karten für die Veranstaltung gibt es bei der Memminger Zeitung in der Donaustraße.
Frank Eberhard
Marktoberdorf/Memmingen | maj |
Der blinde Inlineskater Jörg von de Fenn und Inline-Downhillfahrer Theo Frommlet aus Memmingen sind bei der Sportlerehrung der Stadt Marktoberdorf ausgezeichnet worden. Die beiden Sportler, die auch gemeinsam trainieren, starten für den Skate-Club Allgäu aus Marktoberdorf.
Jörg von de Fenn wurde für folgende Erfolge geehrt:
Oktober 2007: Bei der Deutschen Meisterschaft für Blinde und Sehbehinderte auf der Bahn in Nürnberg belegte er im Speedskating jeweils den ersten Platz und wurde damit Deutscher Meister über 300, 1000 und 3000 Meter.
Mai 2008: Bei der Deutschen Meisterschaft für Blinde und Sehbehinderte in Fürth belegte er beim Marathon-Speedskating über 42,195 Kilometer den ersten Platz.
August 2008: Bei der Deutschen Meisterschaft für Blinde und Sehbehinderte in Nürnberg wurde er beim Speedskating auf der Bahn mehrfacher Deutscher Meister, und zwar über 300, 500 und 2000 Meter.
Alle Starts erfolgten in der Altersklasse 30 und der Schadensklasse B1. Insgesamt errang von de Fenn sieben Deutsche Meistertitel in nur knapp zehn Monaten. Theo Frommlet wurde für zwei Deutsche Vizemeistertitel in der Disziplin Downhill-Skating ausgezeichnet.
Mehr als 170 Aktive
Bei der Sportlerehrung der Stadt Marktoberdorf wurden im Rathaussaal insgesamt mehr als 170 Aktive von Bürgermeister Werner Himmer ausgezeichnet — vom Kind bis zum Senior.
Alle zwei Jahre ehrt die Stadt ihre, wie Himmer es formulierte, „Botschafter des Sports“.
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Theo Frommlet (links) und Jörg von de Fenn (mittig) wurden von Marktoberdorfs Bürgermeister Werner Himmer (rechts) ausgezeichnet. | von Andreas Filke
Der Memminger Jörg von de Fenn hat bei der deutschen Meisterschaft im Marathon-Speedskating für Blinde und Sehbehinderte Gold geholt: In der Schadensklasse B1, der blinde Athleten angehören, die an der Hand geführt werden müssen, war der Memminger der Schnellste. Von de Fenn legte die 42,195 Kilometer von Fürth in der guten Zeit von zwei Stunden und 16 Minuten zurück.
Für den Straßenrundkurs, auf dem die erste deutsche Meisterschaft für Blinde und Sehbehinderte im Marathon-Speedskating stattfand, wurde in Fürth eigens eine Bundesstraße gesperrt. Mit der Strecke kam von de Fenn jedenfalls bestens zurecht, bis zum Start allerdings war es für ihn ein weiter Weg. Denn vor dem Rennen hatte der Memminger arge Probleme, einen Begleitläufer zu finden, der mit ihm gemeinsam die Vorbereitung bestreitet. Erst drei Wochen vor Wettkampfbeginn fand von de Fenn mit dem deutschen Vizemeister im Downhill-Skaten, Theo Frommlet, einen Trainingspartner und stieg in die aktive Trainingsphase ein.
Abstimmung in kürzester Zeit
In Anbetracht der kurzen Vorbereitungs- und Abstimmungsphase der beiden Athleten verdeutlicht die gelaufene Zeit von 2:16 Stunden eine außergewöhnliche Leistung. Für den Erfolg war die starke Kondition beider Athleten ausschlaggebend. Dazu kam noch das Gespür füreinander sowie eine stimmige Kommunikation der beiden Athleten, um so das bestmögliche Tempo zu finden, beizubehalten oder womöglich steigern zu können.
Stolz ob der Leistungen des Inline-Skaters zeigte man sich auch beim Skate Club Allgäu.
„In Anbetracht der Tatsache, dass die Vorbereitung auf solch einen Wettkampf nur auf öffentlichen Straßen stattfinden kann, ist das eine grandiose Leistung“, lobte Trainer Frank Kopp. Selbst von de Fenn war begeistert und scherzte im Moment des Triumphs: „Im Blindflug zu Gold.“
Bereits im vergangenen Jahr bescherte der Memminger dem Skate Club einen Titel: Er gewann bei der ersten deutschen Meisterschaft der Blinden im Inline-Skaten gleich dreimal Gold in seiner Altersklasse. Er war über die Distanzen von 300, 1000 und 3000 Metern jeweils nicht einzuholen und gewann.
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Zwei Stunden und 16 Minuten benötigten Jörg von de Fenn (links) und Theo Frommlet (rechts) für die Inline-Marathon-Strecke. Und das, obwohl sie zuvor nur wenig zusammen trainiert hatten.
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Erschöpft, aber glücklich: Jörg von de Fenn (links) bei der Siegerehrung. Rechts Begleiter Theo Frommlet. | von privat
Memmingen/Marktoberdorf
Jörg von de Fenn ist blind — und ein erfolgreicher Leistungssportler. Zuletzt hat der 39-Jährige, der für den Marktoberdorfer Skate-Club Allgäu startet, bei der zweiten deutschen Bahnmeisterschaft im Speedskating für Blinde und Sehbehinderte in Nürnberg drei Titel errungen. Deutscher Meister wurde der gebürtige Krefelder in der Altersklasse (AK) 30 und der Schadensklasse B I (blinde Athleten, die von einem Begleitläufer an der Hand geführt werden). Damit verteidigte von de Fenn seinen Meistertitel aus dem Vorjahr auf der 300-Meter-Distanz. Auch auf den neuen Strecken — 500 und 2000 Meter — dominierte der im Memminger Stadtteil Amendingen lebende Sportler.
Über die 300 Meter unterbot von de Fenn mit seinem Begleitlaufer Norbert Einsle vom Skate-Club Allgäu sogar seine Siegerzeit aus dem Vorjahr. Am Start waren insgesamt 13 blinde und sehbehinderte Athleten in verschiedenen Alters- und Schadensklassen. Von de Fenn war der einzige Teilnehmer aus dem Allgäu.
Gold über Marathondistanz
Vor gut zwei Monaten hatte er in Fürth bereits Gold auf der Marathonstrecke geholt. Nach den Erfolgen in Franken geht's für den Memminger am 7. September in Langenfeld bei Düsseldorf weiter.
Unter dem Motto „Gemeinsam rollt's“ starten etwa 500 Sportler aus dem In- und Ausland mit Inlineskates, Tandems, Handbikes, Drei- und Liegerädern, Rollstühlen und Tretrollern. „Blinde und Sehbehinderte, Sportler mit körperlicher und geistiger Behinderung treffen sich in Langenfeld. Menschen mit und ohne Handicap messen sich dabei im sportlichen Wettkampf“, so von de Fenn.
Er selbst startet in der Disziplin Inline-Speedskating, wobei er von Mayke Exterkate aus Krefeld (deutsche Meisterin im Inlineskating) begleitet wird.
Auch beim Tandemfahren geht der Memminger mit an den Start. „Auf diese Veranstaltung freue ich mich schon seit langem“, sagt der blinde Spitzensportler.
Von de Fenn hat heuer noch mehr vor: Im Oktober will er den Kilimandscharo, den mit 5895 Metern höchsten Berg Afrikas, besteigen. Nach jahrelanger Suche hat er einen Bergführer gefunden, der ihn bei diesem großen Vorhaben begleitet.
Manfred Jörg
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Jörg von de Fenn (links) und sein Begleiter Norbert Einsle (rechts) bei der deutschen Meisterschaft der Speedskater. Die beiden sind mit einem Seil an den Händen verbunden.
Premiere in Nürnberg: Dort fanden die ersten Deutschen Speedskating-Bahnmeisterschaften für Blinde und Sehbehinderte statt.
Die Idee dazu hatten vor knapp einem dreiviertel Jahr Bernd O. Stottok und Jörg Kaiser (1. FCN Roll- und Eissport) bei der Sportlerehrung der Stadt Nürnberg. Dort werden zusammen mit nicht-behinderten Sportlern auch immer behinderte Athleten geehrt. Stottok und Kaiser fiel auf, dass es in der Sportart Speedskating bisher noch keine Meisterschaften für Blinde und Sehbehinderte gegeben hat.
Beim Start brauchen blinde Athleten eine verbale Orientierung, in diesem Fall durch das sonst nicht verwendete Anzählen mit 3 — 2 — 1, gefolgt von einem Pfiff als Startsignal anstelle des üblichen Pistolenschusses. Der Moderator muss den Rennverlauf durchgängig kommentieren und neben Überholmanövern und Abständen zwischen den Skatern auch immer wieder die noch vor den Sportlern liegenden Runden oder Meter durchsagen. Und der Rundenzähler muss die letzte Runde besonders laut und deutlich mit der Glocke einläuten, damit die Führenden dies wahrnehmen.
Noch an jenem Abend stand ihr Entschluss fest, das zu ändern.Schnell war mit Volker Springhart, dem Heimleiter des Bildungszentrums für Blinde und Sehbehinderte in Nürnberg, der dritte Mitorganisator gefunden. Springhart ist selbst Mitglied beim Speed-Team Nürnberg des 1. FCN Roll- und Eissport und betreut seit über fünf Jahren Blinde und Sehbehinderte im Speedskating.
Gemeinsam machten sich die drei ans Werk und erarbeiteten Regelungen für Deutsche Behinderten- Meisterschaften als Ergänzung zur bestehenden Wettkampfordnung. Die zuständige Sportkommission des Deutschen Rollsport- und Inline-Verbandes segnete die Regelungen ab und beauftragte im Frühjahr die Nürnberger mit der Ausrichtung der ersten deutschen Bahnmeisterschaften.
Die Gastgeber durften hoffen, dass ihre eigenen Skater bei diesen Titelkämpfen sehr erfolgreich abschneiden würden, und tatsächlich:
Mit 33 von 36 zu vergebenden Medaillen dominierten die blinden und sehbehinderten Speedskater aus Franken den Wettbewerb, über die anderen drei Medaillen konnte sich der Skate Club Allgäu freuen.
Speedskaten für blinde und sehbehinderte Menschen weist einige Besonderheiten auf. Neben den Altersklassen kommen hier noch Schadensklassen hinzu, so dass sich eine Wettkampfklasse immer aus der Kombination von Alters- und Schadensklasse zusammensetzt:
Schadensklasse B1:
vollständig blinde Skater mit einem Begleitläufer,der an der Hand führt
Schadensklasse B2:
hochgradig sehbehinderten Skater mit Begleitläufer, der jedoch ohne Handberührung führt
Schadensklasse B3:
Skater mit einer Sehbehinderung, die aber dennoch ohne Begleitläufer auskommen.
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Jörg von de Fenn und Norbert Einsle haben im Rennen ein anderes Läuferpaar überholt.
Am 3. Oktober fanden zum ersten Mal deutsche Bahnmeisterschaften der blinden und sehbehinderten Speedskater statt. Die Resonanz und die Begeisterung von Fahrern, Begleitern und Besuchern waren derart groß, dass die Veranstalter vom 1. FCN Roll- und Eissport davon ausgehen, dass diese Deutschen Meisterschaften keine Eintagsfliege bleiben.
Und diese Meisterschaften unterschieden sich in einigen Punkten doch sehr von Meisterschaften mit nicht-sehbehinderten Skatern. Die meisten behinderten Fahrer fuhren mit einem Begleitläufer, was zu einigen Komplikationen auf der Strecke führte.
Der Skater und sein Begleitläufer mussten im gleichen Rhythmus hintereinander her skaten und vor allem bei Überholmanövern darauf achten, dass beide das überholte Duo nicht behindern. Eine Herausforderung für alle Beteiligten bei hoher Geschwindigkeit.
Ohne die Begleitläufer wäre das Tempo wahrscheinlich nochmals höher, denn dem Rausch der Geschwindigkeit erlagen auch die sehbehinderten und blinden Skater.
Ganz wichtig ist es, weitere leistungsfähige Begleitläufer zu finden, da die behinderten Läufer selbst nur so leistungsfähig sein können, wie es ihr Begleiter zulässt.
Dominierendes Team der Meisterschaften war das Heimteam aus Nürnberg, das 33 von insgesamt 36 Medaillen einfuhr. Kein überraschendes Ergebnis, bedenkt man, dass das deutsche Speedskating für Blinde und Sehbehinderte hier seinen Anfang nahm.
Volker Springhart vom Nürnberger Bildungszentrum für Blinde und Sehbehinderte entdeckte vor sieben Jahren den Wert des Inline Skatings für sehbehinderte und blinde Menschen und löste große Begeisterung bei den Betroffenen aus. Seitdem trainieren in Nürnberg sehende und nicht-sehende Skater zusammen.
Zwischenzeitlich gehört eine Gruppe blinder und sehbehinderter Skater dem Speed-Team Nürnberg an und nimmt für dieses auch an Wettkämpfen teil. Doch auch außerhalb von Nürnberg finden sich mittlerweile immer mehr Vereine, bei denen blinde und sehbehinderte Speedskater trainieren können.
Dies zeigt der Erfolg des Skate Clubs Allgäu, dessen Fahrer die anderen Medaillen bei den Deutschen Bahnmeisterschaften gewannen.
Eine besondere Rolle kam dem Moderator zu, denn er ist ein wichtiger Partner zur Orientierung der blinden Skater. Er musste den Rennverlauf durchgängig kommentieren und neben Überholmanövern und Abständen zwischen den Skatern auch die noch zu fahrenden Runden oder Meter durchsagen.
Vor allem die letzte Runde musste vom Rundenzähler laut und deutlich eingeläutet werden, um den Lärmpegel der Zuschauer zu übertönen, was aufgrund der tollen Stimmung und lautstarken Anfeuerungsrufe keine leichte Aufgabe darstellte.
Wer bei den Meisterschaften dabei war und nicht nur die fröhlichen Gesichter der Sportler, sondern auch die Stimmung während der gesamten Veranstaltung erlebt hat, der weiß, dass der DRIV als zuständiger Fachverband mit diesen Deutschen Bahnmeisterschaften völlig zu Recht einen neuen Weg innerhalb des Speedskatens gegangen ist.
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Deutscher Meister in der Altersklasse 30, Jörg von de Fenn, mit Begleitläufer Norbert Einsle vom Skate Club Allgäu, vor der Deutschen Meisterin in der gleichen Altersklasse, Margit Schaßberger mit Begleitläufer Volker Springhart vom 1. FCN Roll- und Eissport e.V.
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Martha Kosz und Volker Springhart
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Die Teilnehmer und Begleitläufer der Deutschen Meisterschaften für Blinde und Sehbehinderte im Speedskating lauschen der Deutschen Nationalhymne
B1: vollständig blinde Athleten - Führung an der Hand
B2: hochgradig sehbehinderte Athleten - Begleitläufer ohne Handführung
B3: sehbehinderte Athleten - ohne Begleitläufer
Aktive Damen B1:
Tanja Maul, 1. FCN Roll- und Eissport e. V.:
1. Platz 300 m, 500 m, 1000 m, 3000 m
Martha Kosz, 1. FCN Roll- und Eissport e. V.:
2. Platz 300 m, 500 m, 1000 m, 3000 m
Aktive Herren B1:
Matthias Landgraf, 1. FCN Roll- und Eissport e. V.:
1. Platz 300 m, 500 m, 1000 m, 2. Platz 3000 m
Thomas Seitz, 1. FCN Roll- und Eissport e. V.:
1. Platz 3000 m, 2. Platz 300 m, 1000 m, 3. Platz 500 m
Jens Kremer, 1. FCN Roll- und Eissport e. V.:
2. Platz 500 m, 3. Platz 300 m, 1000 m, 3000 m
Aktive Herren B3:
Steve Erben, 1. FCN Roll- und Eissport e. V.:
1. Platz 300 m, 500 m, 1000 m, 3000 m
Senioren 30 Damen B1
Margit Schaßberger, 1. FCN Roll- und Eissport e. V.:
1. Platz 300 m, 1000 m, 3000 m
Senioren 30 Herren B1:
Jörg von de Fenn, Skate Club Allgäu:
1. Platz 300 m, 1000 m, 3000 m
Junioren A Damen B1:
Janine Süß, 1. FCN Roll- und Eissport e. V.:
1. Platz 300 m, 500 m, 1.500 m
Schüler A Herren B3:
Khristo Dimov, 1. FCN Roll- und Eissport e. V.:
1. Platz 100 m, 200 m, 1000 m
Aktion einmalig in Deutschland - Tasten, wo man nichts sehen kann: Beim Tauchlehrgang in Nidderau ging es mit Blinden in die Unterwasserwelt des Freizeitbads.
Nidderau. Wie zwei Fische tauchen zwei schwarze Körper lautlos ins vier Meter tiefe Wasser. Ihre bunten Flossen gleiten mit fließenden Bewegungen durchs Nass. Große Luftblasen steigen an die Wasseroberfläche.
Nach zehn Minuten erscheinen Tauchlehrer und Schüler wieder an der Wasseroberfläche. Auf dem Gesicht von Jörg von de Fenn ist ein breites Lächeln zu erkennen. Er hat soeben zum ersten Mal Erfahrung mit Taucherbrille, Neoprenanzug und Atemgerät gemacht. Jörg von de Fenn ist blind. Dennoch ist er völlig begeistert vom ersten Tauch-Trip seines Lebens mit Behinderung: „Ich konnte mich im Wasser frei bewegen. Hätte nie gedacht, dass ich unter Wasser so leicht und ohne Panik atmen kann.“
Die Premiere für Jörg von de Fenn und fünf andere sehbehinderte Männer und Frauen war eine Premiere in Deutschland. Noch nie hat es in dieser Form einen Tauchkurs für Blinde gegeben. Möglich gemacht hat ihn der Hessische Landtauchclub, der mit der Schnupperkurs-Aktion zugleich auf ein ehrgeiziges Projekt aufmerksam machen wollte: In Nidderau soll ein neuer Tauchturm entstehen, um den faszinierenden Unterwassersport das ganze Jahr ausüben zu können.
Der Grund: Im Umkreis von 100 Kilometer um Frankfurt gibt es bislang keine ganzjährige Sportstätte für Taucher. Deshalb soll das Hallen- und Freizeitbad Nidderau nach dem Willen des Landestauchclubs zum neuen Taucher-Domizil gemacht werden.Die Aktion hatte sich gelohnt, die Resonanz war unerwartet hoch: Die Gäste kamen aus Böblingen, Memmingen, Oberursel und Frankfurt. Anfragen hat es sogar aus Berlin und Leipzig gegeben.
Nach der Theorie ging es gleich zur Praxis über: Schnorcheltraining im Wasser.
Da die für das Tauchen wichtigen Handzeichen bei Menschen mit Sehbehinderungen nicht angewendet werden können, wurden die vier Basiszeichen vom Ausbilder mechanisch gedeutet. So wurde beispielsweise das Zeichen für „alles in Ordnung“ durch ein Drücken am Oberarm des Schülers verdeutlicht.
Der Tauchschüler gibt daraufhin ein „sehendes Zeichen“, nämlich das Zusammenführen von Daumen und Zeigefinger zu einem Kreis als Antwort.
„Meine Begleiterin war immer spürbar. Sie hat mich ganz behutsam ins tiefe Wasser geführt. Ich konnte meiner Tauchlehrerin individuell mitteilen, ob ich bereit bin, noch tiefer zu tauchen“, erzählt die sehbehinderte Schülerin Brigitte Buchsein aus Oberursel.
Da sie immer auf der Suche nach etwas Neuem ist, wurde die Neugier auf das Tauchen geweckt. Der Tauchkurs war für sie eine gute Erfahrung und sie könnte sich vorstellen, weitere Tauchgänge zu machen.
Dies könnte in einem Tauchturm in Nidderau wetterunabhängig möglich sein. Mit einer Wasserfläche von 80 Quadratmetern und einer Tauchtiefe von zehn Metern wäre der Turm eine optimale Trainingsstätte.
Der Bau des Tauchturmes ist für Herbst 2008 vorgesehen. Zuvor muss aber erst die stattliche Investitionssumme von 1,5 Millionen Euro aufgebracht werden. Dabei ist der Verein nach wie vor auf Sponsoren und Spenden angewiesen.
Jennifer Schäfer
ONLINE: TauchZentrumHessen.de | 2007
Der Verein warb während der Veranstaltung für den Bau eines Tauchbeckens mit zehn Metern Tiefe auf dem Gelände des Nidderauer Freibades.
Bruchköbel · „Diese Schwerelosigkeit, ganz von Wasser umgeben zu sein und dann trotzdem atmen zu können – das war unglaublich schön.“ Brigitte Buchsein sitzt nass am Rande des Bruchköbler Hallenbades, und ihr Gesicht strahlt vor Freude.
Die 38-jährige ist eine von fünf blinden Menschen, die am vergangenen Wochenende an einem zweitägigen Tauchworkshop des Hessischen Landtauchclubs Nidderau (HLTC) teilnahmen.
Tauchen für Blinde, dass habe es ihrem Wissen nach in Deutschland noch nicht gegeben, meinte Uwe Richter, gemeinsam mit Tauchausbilder Jörg Blättermann Organisator des Workshops.
Auf ihren Veranstaltungshinweis in einer Blindenzeitschrift im vergangenen Herbst hätten sich sofort 15 Interessierte gemeldet. „Wir konnten nur fünf aussuchen“, so Richter. Denn jeder blinde Teilnehmer braucht einen sehenden Begleiter unter Wasser. Diese Aufgabe übernahmen ehrenamtliche Übungsleiterinnen und Ausbilder vom HLTC.
So war es für Jennifer Löffler ein „tolles Erlebnis, gerade Blinden mein liebstes Hobby näher zubringen“. Schließlich arbeitet die 19-jährige Taucherin in einer Blindenwerkstatt.
Dass Tauchen durchaus ein Rehabilitationssport für körperlich Behinderte sein kann, wollten die Organisatoren mit diesem Workshop demonstrieren.
Am Rande der Veranstaltung machten sie auf ein ambitioniertes Projekt aufmerksam: Auf dem Gelände des Nidderauer Freibades plant der HLTC einen sogenannten Tauchturm. Dies ist ein Becken mit rund 80 Quadratmetern Wasserfläche und zehn Metern Tiefe. Richter:
„Das wäre hessenweit eine einmalige Anlage.“
Gerade zur Ausbildung von Kindern, Jugendlichen, aber auch für Polizei und Rettungsschwimmer sei erst eine Tauchtiefe ab zehn Meter optimal.
Die Bäder in Nidderau und Bruchköbel bieten nur zwei beziehungsweise vier Meter Tiefe. Der Tauchturm soll rund 1,5 Millionen Euro kosten. Die Stadt Nidderau und der Zweckverband Schwimmbad hätten schon zugestimmt.
Baubeginn soll im Herbst 2008 sein. Doch so lange will Brigitte Buchsein nicht warten mit einem neuen Abtauchen.
„Es wäre toll, auf diesen Kurs aufbauen zu können“, so die sportliche Oberurselerin. Martin Stürmer verließ ebenso ungern das Wasser. Aus Neugier hatte der 42-jährige aus Böblingen sich angemeldet und wurde nicht enttäuscht. „Trotz des Gewichts der Ausrüstung konnten wir uns ganz leicht bewegen“, sagt er fasziniert.
Die Technik der Flasche, das Anlegen des Anzugs, den Umgang mit dem Schnorchel trainierte die Gruppe am ersten Workshoptag. Mit ihren Händen ertasteten sich die Blinden unter Anleitung das Tauchequipment.
Für den Tauchgang wurden Berührungszeichen ausgemacht, die Blinden waren unter Wasser im ständigen Körperkontakt zu ihren Begleitern. Das gab ihnen ein großes Gefühl von Sicherheit. Zudem hatten die Ausbilder am Boden in vier Meter Tiefe kleine Überraschungen verteilt.
„Da waren plötzlich Pflanzen und Muscheln zu ertasten“, so Jörg von de Fenn, der aus dem Allgäu zu diesem außergewöhnlichen Abenteuer angereist war. „Es war eine ganz große Entspannung“, sagt Sebastian Harling aus Frankfurt, „fast wie fliegen“.
Monica Bielesch
Foto:
Tauchen und Tasten: Tauchsportlehrer Jörg Blättermann (links) bei einer Übung mit dem gleichnamigen Sehbehinderten Jörg von de Fenn, der nach Muscheln greift.
2000
Großglockner
Jörg von de Fenn, ein 30-jähriger blinder Bergsteiger aus Deutschland, konnte unter Führung eines Kalser Bergführers den höchsten Berg Österreichs besteigen. Es handelt sich nach Wissen der Kalser Bergführer und des Hüttenwirts der Adlersruh um die erste Besteigung durch einen Blinden; von de Fenn hatte zuvor erst zwei Sommer lang Bergwanderurlaube in Kals verbracht.
Nun, im dritten Urlaub, gelang ihm diese Bestätigung der Möglichkeiten, auch mit solch ernsten Behinderungen in die Berge zu gehen.
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„Bergsteiger“ | Jörg von de Fenn (rechts) auf dem Gipfel des Großglockners mit seinem Bergkameraden Anton Ponholzer (links). 1999 | von: privat
Blinder Jörg von de Fenn klettert auf Großglockner
Wie er so am Tisch sitzt, seinen Cappuccino trinkt und erzählt, ist nichts Ungewöhnliches an Jörg von de Fenn: ein sportlich wirkender, junger Mann in T-Shirt und Jeans. Doch der erste, flüchtige Eindruck täuscht. Als der 31-Jährige wissen will, wie spät es ist, klappt er das Glas seiner Armbanduhr hoch und tastet nach den Zeigern.
Jörg von de Fenn ist blind. Der Sport hilft ihm, mit seinem Handicap zu leben. Der Amendinger lernt unter anderem Jiu-Jitsu, besucht einen Tauchkurs und hat im vergangenen Jahr den Großglockner bestiegen.
Zehn Jahre ist es her, dass Jörg von de Fenn bemerkte, dass mit seinen Augen etwas nicht stimmte. Er fuhr zum Arzt, bekam etwas verschrieben und sollte die Woche darauf wieder in die Praxis kommen. Dann ging alles ganz schnell. „Ich erblindete innerhalb von drei Wochen“, erzählt er.
Für den damals 21-Jährigen brach eine Welt zusammen.
Die meisten Mediziner, die der gebürtige Krefelder in der Folgezeit aufsuchte, waren ratlos — „Ich war in allen möglichen Uni- und Spezialkliniken“, berichtet er. Doch nirgendwo konnte eine genaue Diagnose gestellt werden.
Erst Jahre später sei ein Tübinger Professor der Ursache auf die Spur gekommen. Er stellte fest, dass es sich um eine erblich bedingte Sehnerventzündung handelt.
Vor allem am Anfang sei es hart gewesen, erinnert sich der 31-Jährige: „Ich musste meine Kochausbildung abbrechen.“ In den ersten Jahren habe sich der Blindenbund um ihn gekümmert.
Ab 1992 besuchte Jörg von de Fenn eine Blindenschule bei Würzburg. Dort ließ er sich zum Telefonisten umschulen, lernte Schreibmaschine schreiben und Punktschrift lesen.
„Das war anfangs ziemlich nervenraubend“, erzählt er: „Man denkt, das schafft man nie.“
1995 wurde in der Memminger Stadtverwaltung ein Telefonist gesucht. Von de Fenn bekam die Stelle.
Ein Jahr später schnupperte der damals 26-Jährige zum ersten Mal Bergluft. Sein Vater nahm ihn mit zum Wandern ins Großglockner-Gebiet. Jörg von de Fenn war begeistert. All die Jahre zog es ihn immer wieder in die Gegend. „Die Wege dort sind sehr gut ausgebaut“ , erklärt er. Und:
„Das ganze macht einfach unheimlich viel Spaß.“
1998 lernte Jörg von de Fenn seine heutige Frau Gerlinde kennen. Die beiden heirateten 1999.
Ihre Hochzeitsreise machten sie ins Großglockner-Gebiet.
Im vergangenen Jahr vollbrachte der Bergfan seine bisher größte alpinistische Leistung. Zusammen mit seinem Freund Anton Ponholzer, einem Bergführer aus Kals, bezwang er den 3798 m hohen Gipfel des Großglockner.
„Das war ein ganzes Stück Arbeit“, meint der 31-Jährige. Durch Ponholzer gesichert, kletterte er über Felsen, überquerte steile Schneefelder, passierte schroffe Kanten und einen schmalen Grat. „Etwas Angst hatte ich schon“, gibt er zu. Und fügt mit dem für ihn so typischen trockenen Humor hinzu:
„Mein Vorteil war, dass ich nichts sehen konnte.“
Als er schließlich auf dem höchsten Punkt des Berges stand, habe er sich gefreut wie ein kleines Kind. Obwohl und gerade weil er nichts sehen konnte.Ein Gipfelerlebnis der besonderen Art: „Das Gefühl, es geschafft zu haben, war überwältigend“, schwärmt von de Fenn, der davon träumt, irgendwann einmal auf dem Mont Blanc zu stehen.
Für seine Bergtouren hat Jörg von de Fenn mehrere Auszeichnungen erhalten. Aktiv ist er, der rund 350 CDs besitzt, oft zu Konzerten fährt, leidenschaftlich gern Musik hört und telefoniert, auch in anderen Sportarten. Er geht zweimal die Woche ins Fitness-Studio und macht einen Tauchkurs.
Seit Anfang des Jahres besucht er eine Kampfsportschule, lernt Jiu-Jitsu. Damit er die verschiedenen Gürtel erwerben kann, hat sein Trainer Benedetto Scaturro die Regeln leicht verändert.
„Als sich Jörg bei mir meldete, war ich anfangs skeptisch“, sagt Scaturro, mehrfacher Weltmeister in der Disziplin Bruchtest. Ein Blinder und Kampfsport — das passte in seinen Augen zunächst nicht zusammen. „Aber es funktioniert hervorragend“ , so der Leiter der Schule. „Wir akzeptieren ihn, für uns hat er keine Behinderung“, betont er.
So akzeptiert zu werden, wie er ist — das wünscht sich von de Fenn sehr.
„Ich bin nicht unglücklich darüber, blind zu sein. Ich bin unglücklich darüber, wie manche Menschen mit mir umgehen“, sagt der 31-Jjährige, der derzeit auf Arbeitssuche ist.
Der Sport, die Erfolge, die er dort erzielt — und seien sie noch so klein —, bedeuten ihm viel. „Wenn man blind ist, fühlt man sich unvollständig. Man gilt sich selbst nicht mehr so viel“, sagt er. Der Sport gibt ihm ein Stück verlorene Freiheit zurück.